Von Fabian Hunold und Andreas Graf – Der am 17. März vom Parlament zur Kenntnis genommene Sicherheitspolitische Bericht (SIPOL B) bestätigt die Strategie „Sicherheit durch Kooperation“. Bislang mangelt es der Politik abgesehen von Absichtserklärungen aber an konkreten Strategien. Die neue foraus-Studie „Sicherheit durch Kooperation mit Europa“ zeigt die konkreten Möglichkeiten einer friedens- und sicherheitspolitischen Kooperation auf.
Es ist kein Geheimnis: Zur Wahrung ihrer sicherheitspolitischen Interessen ist die Schweiz ist auf wirksame internationale Kooperation angewiesen. „Sicherheit durch Kooperation“ wurde im Sicherheitspolitischen Bericht des Bundesrates vom Juni 2010 (Sipol B 2010) zum wiederholten Mal ausdrücklich als Grundstrategie der Schweizer Sicherheitspolitik bestätigt. Unsere europäischen Nachbarn sind dabei natürliche Kooperationspartner: Sie verkörpern nicht nur dieselben Werte, sondern sind auch einer weitgehend identischen Bedrohungslage ausgesetzt. Der Bundesrat kommt im Sipol B 2010 deshalb folgerichtig zum Schluss, dass es im Interesse der Schweiz liegt, „sich künftig insbesondere verstärkt an der Sicherheitsproduktion im europäischen Rahmen zu beteiligen“.
Auch die drei Bundesratsparteien FDP, CVP und SP sprechen sich in der Sicherheitspolitik für eine stärkere Zusammenarbeit mit der Europäischen Union (EU) aus. Die FDP hat eine entsprechende Forderung im Oktober 2010 prominent in ihrem Positionspapier zur Aussenpolitik verankert. Die CVP plädiert in ihrem Armeepapier vom Juni 2010 dafür, dass die neutrale Schweiz „in einem europäischen Sicherheitsverbund“ mitwirke. Die SP schliesslich setzt sich seit längerem für eine vertiefte sicherheitspolitische Kooperation mit der EU ein und hat dies im Mai 2010 in ihrer Stellungnahme zum Sipol B bestärkt.
Fehlende Konkretisierung der deklarierten Kooperationsziele
Innerhalb der EU hat sich im letzten Jahrzehnt in Form der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) ein dynamisches Forum der Kooperation entwickelt, das eine Antwort auf die gemeinsamen sicherheitspolitischen Herausforderungen Europas geben soll. Zu den Instrumenten der GSVP gehören unter anderem die Entsendung von militärischen Kontingenten zur Befriedung und Stabilisierung von Krisenherden, der Einsatz von zivilen Experten zum Staatsaufbau sowie die verstärkte Zusammenarbeit der nationalen Armeen in den Bereichen Rüstung und Ausbildung.
Trotz der erklärten kooperativen Grundausrichtung der Schweizer Sicherheitspolitik gehen weder der Sipol B 2010 noch der Armeebericht in seiner Fassung vom Oktober 2010 auf die konkreten Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der GSVP ein. Auch die genannten politischen Parteien haben bisher keine Wege zur praktischen Umsetzung ihrer allgemein gehaltenen Forderungen vorgeschlagen.
Eine breite Palette von Anknüpfungspunkten an die Instrumente der GSVP
Dabei gäbe es auch unter Berücksichtigung der Neutralität und strenger Auslegung der nationalen Souveränität in Verteidigungsfragen, genügend Anknüpfungspunkte, für eine kooperative Sicherheitspolitik im europäischen Rahmen.
Einige ergeben sich aus rein pragmatischen Überlegungen: Dass die Schweiz noch nicht aktiv in der Europäischen Verteidigungsagentur (EVA) mitmacht, die mit einem europaweitem Rüstungsmarkt und gemeinsamen Beschaffungsprogrammen eine effektivere und günstigere Rüstungspolitik ermöglicht, ist nur den unsachlichen, ideologisch geführten Europa- und Armeedebatten in der Schweiz anzulasten. Die mittlerweile paraphierte Administrative Vereinbarung mit der EVA ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Dasselbe gilt für das seit 2004(!) zur Debatte stehende Rahmenabkommen mit der EU für die Entsendung von Personal in Missionen der zivilen oder militärischen Friedensförderung. Im Unterschied zu Island, Kanada, Montenegro, Norwegen, Ukraine, Serbien, der Türkei und rund 15 weiteren Staaten, mit denen derzeit ein solches Rahmenabkommen abgeklärt wird, muss die Schweiz bei jedem Einsatz in einer friedensfördernden Mission der EU ein neues administratives Abkommen aushandeln.
Mehr Einsatz bringt mehr Einfluss
Doch die Schweiz verpasst es nicht nur, von der GSVP zu profitieren. Sie verbaut sich durch ihr Verhalten, mit dem sie zunehmend als Trittbrettfahrerin in der europäischen Sicherheitsarchitektur wahrgenommen wird, auch die Möglichkeit, sich aktiver in anderen Bereichen ihres Interesses einzubringen. Mit mehr Bereitschaft zum Burden-Sharing, etwa durch die Steigerung des Engagements in friedensfördernden zivilen und militärischen Missionen der EU, könnte sich die Schweiz zum Beispiel Zugang zu den informellen Treffen der EU-Aussenminister verschaffen. Ganz abgesehen davon, dass die EU ein natürlicher Partner wäre, um endlich mehr zur weltweiten Sicherheit und Friedensförderung beizutragen. Zur Erinnerung: Momentan entsendet die Schweiz gerade mal einen Viertel der im eigenen Armeebericht geforderten 1000 Armeeangehörigen ins Ausland.
Die meisten neutralen EU-Staaten (Österreich, Finnland, Schweden, Irland) oder Nicht-EU-Staaten (Norwegen, Mazedonien, Kroatien, Türkei) beteiligen sich zudem aktiv an den EU-Battlegroups, die eine schnelle, effektive Krisenintervention in Konflikten garantieren sollen. Dass die Schweiz in diesem Punkt Berührungsängste offenbart, mag verständlich sein. Doch dass diese Option noch nicht einmal auf ihre Machbarkeit oder deren Voraussetzungen diskutiert wird, grenzt an aktive Verweigerungshaltung.
Wie sachlich und pragmatisch die Auseinandersetzung mit den Handlungsoptionen der Schweiz mit Blick auf die GSVP aussehen könnte, wird im neuen Diskussionspapier von foraus dargelegt. Er soll einen Meinungsbildungsprozess in Gang bringen, welcher der politischen Kultur der Schweiz und ihrem Selbstverständnis als tragendes Mitglied der internationalen Gemeinschaft würdig ist.
Die Studie sowie eine Übersicht über die Reaktionen in den Medien finden sich hier.
Andreas Graf, lic. rel. int. IHEID & M.P.S. IFSH, forscht in den Bereichen Konflikttransformation und internationa- le Sicherheitspolitik.
Fabian Hunold, lic. phil. hist. UZH, Milizoffizier, befasste sich bereits im Studium mit Fragen der schweizerischen und internationalen Sicherheitspolitik.
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