Von Danny Bürkli – Der „arabische Frühling“ ist in aller Munde. Auch die Allgemeine Schweizer Militärzeitschrift (ASMZ) veröffentlichte in ihrer neusten Ausgabe einen Artikel zum Thema. Dieser ist dermassen schlecht, dass einem der Atem wegbleibt.
Einmal geopolitischer Rundumschlag, bitte
Die Allgemeine Schweizer Militärzeitschrift (ASMZ), offizielles Publikationsorgan der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG), publizierte in ihrer Ausgabe vom Juni 2011 unter dem Titel „Die Arabische Revolution“ einen Artikel von Oberst Roy Kunz, Kdt aD Kantonspolizei Glarus. Der Artikel kann auf der Webseite der ASMZ als PDF eingesehen werden.
Beginnend mit einem aus dem Kontext gerissenen Zitat aus der NZZ zur Kriegsgeilheit des Islams behandelt Roy Kunz ein buntes Potpourri an Themen: Der Autor fängt mit den aktuellen Revolten in der arabischen Welt an, streift die Gründungsgeschichte des israelischen Staates, fragt nach der „geostrategischen Lage aus islamischer Sicht“ und endet mit philosophischen Betrachtungen zum Wesen des Krieges mit freundlicher Hilfe von Heidegger, Clausewitz, Cicero, Sun Tzu und Heraklit.
Ebenso nonchalant abgehandelt wird der Niedergang des amerikanischen Hegemons, die Ursachen des „neuen Antisemitismus“, die Frage der Legitimität der Kriege in Afghanistan, Irak und Libyen sowie die „Wunden der kolonialistischen Vergangenheit des euroatlantischen Westens“. Das alles hat auf knapp zwei Seiten Platz. Beeindruckend. Selbst für einen intellektuellen Titanen – spontan kommen einem Francis Fukuyama oder Tony Judt in den Sinn – wäre ein solcher Parforce-Ritt eine Herausforderung gewesen.
So ist es, und nicht anders!
Der Artikel ist eine Ansammlung von Behauptungen, welche dem Leser, befreit von den Zwängen einer kohärenten Argumentationslinie, in einer imponierenden Absolutheit präsentiert werden: „Der Islam“ ist nicht mit Demokratie nach westlichem Vorbild vereinbar; eine „von Juden geschürte Aussenpolitik“ der USA ist für die Lage in Gaza verantwortlich; so wie die „finanzielle Ausblutung“ Deutschlands durch die Siegermächte nach dem ersten Weltkrieg zum Dritten Reich führte, so führten „die gleichen Phänomene“ zum Bürgerkrieg in Libyen; und zukünftige Massenmigrationen können gesellschaftspolitisch nicht mehr verdaut werden.
Der Vergleich zwischen Libyen und dem Dritten Reich ist bemerkenswert: „Der Kanzler des Dritten Reichs und Führer Grossdeutschlands, Adolf Hitler, brachte mit seiner NSDAP den gedemütigten Deutschen Arbeit und Brot. Die gleichen Phänomene führten zum Bürgerkrieg in Libyen.“ Selbstverständlich, wie hätte es auch anders sein können. Leider wird bis zuletzt allerdings nicht klar, wen Kunz mit Nazideutschland vergleicht: die Rebellen, Gaddafi oder die NATO.
In einem vorhergehenden Paragraphen hält es der Autor augenscheinlich für notwendig, sich vorsorglich vor dem Rassismusvorwurf zu schützen:
„Selbst unter geltendem Strafrecht (Art. 261bis StGB) [Antirassismus-Artikel, meine Hervorhebung] darf gesagt werden, dass – nur wenn der Krieg um Palästina (…) beendet wird – die Aussicht besteht, dass die wichtigste Ursache der Unruhen in Nordafrika, auf der arabischen Halbinsel und des internationalen Terrors angegangen werden können: die bisher enttäuschte Hoffnung der Völker Nordafrikas, des Nahen- und Mittleren Ostens auf demokratische Selbstbestimmung.“
Offenkundig identifiziert Kunz hier den Staat Israel als verantwortlich für die „enttäuschte Hoffnung der Völker“ der Region auf demokratische Selbstbestimmung. Eine These die viel Stoff für Diskussion böte. Nur wieso erwehrt er sich präventiv des Vorwurfs des Rassismus? Ein Schelm wer Böses denkt.
Zudem, wenn „der Islam“ – wie Kunz eingangs des Artikels postuliert – nicht mit Demokratie vereinbar ist, was für eine Rolle spielt dann der „Krieg um Palästina“ überhaupt für die demokratische Selbstbestimmung der „Völker Nordafrikas, des Nahen- und des Mittleren Ostens“?
Kunz nimmt also an, dass die gegenwärtigen Revolutionen in der arabischen Welt nicht erfolgreich sein werden. Möglicherweise wird er Recht bekommen. Interessant wäre allerdings zu erfahren wie er zu diesem für seine Argumentationslinie zentralen Schluss kommt.
Die Schweizer Debatte hat Besseres verdient
Die obszöne Vereinfachung komplexer Sachverhalte zieht sich über die ganze Länge des Artikels und lässt den Leser verdutzt zurück. Die verwendeten Termini wie „zwischen dem Okzident und dem islamischen Orient“ lassen erkennen, dass Edward Said’s Kritik am „Orientalismus“ beim Autor keinen Niederschlag gefunden hat. Und dies trotz des im Text mit Verve betriebenen philosophischen name droppings.
Oberst Roy Kunz‘s Artikel in der ASMZ setzt an zu einem geopolitischen Rundumschlag und hinterlässt vor allem Schaumschlag. Was Kunz dem Leser präsentiert ist eine unerträgliche Gemengelage tendenziöser Thesen welche einer seriösen Publikation nicht würdig ist. Es stellt sich die drängende Frage, weshalb ein solcher Text im offiziellen Organ der Schweizerischen Offiziersgesellschaft überhaupt zur Veröffentlichung gelangt. Gibt es im Umfeld der Schweizer Armee etwa keine ernstzunehmenden strategischen Denker?
Danny Bürkli studierte Politikwissenschaft und arbeitet im Bereich der Sicherheitspolitik. Er ist Mitglied der foraus-Arbeitsgruppe Frieden und Sicherheit.
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