Von Antoine Schnegg – Palästina möchte im Herbst gerne als Staat in die UNO aufgenommen werden. Abgesehen davon, dass die Wichtigkeit dieses Vorhabens überschätzt wird, gibt es auch keinen Weg, auf dem das Veto der USA umgangen werden könnte.
Am 28 Mai 2011 hat die Arabische Liga angekündigt, diesen Herbst der UNO-Generalversammlung einen Resolutionsentwurf vorzulegen, welcher die Aufnahme eines Palästinensischen Staates mit den Grenzen von 1967 und Ostjerusalem als Hauptstadt als vollwertiges Mitglied in die Vereinten Nationen vorschlägt.
Während Palästina durch die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) in verschiedenen Arabischen Organisationen vertreten ist, wurde die Mitgliedschaft in der UNO bisher verwehrt. 1974 wurde die PLO jedoch als Beobachterin in der Generalversammlung der Vereinten Nationen zugelassen.
Als Folge des jahrelangen Stillstands der Friedensbemühungen im nahen Osten möchte sich Palästina über eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen nun als Staat anerkennen lassen. Dieser Schritt stösst bei Europäischen Staaten auf zaghafte Zustimmung, da viele Staaten enttäuscht sind über die ausbleibenden Fortschritte bei den Friedensgesprächen.
Es ist nicht erstaunlich, dass Israel gegen einen solchen Vorstoss innerhalb der Vereinten Nationen lobbyiert.
Die Position der Vereinigten Staaten ist noch nicht klar. Einerseits erwähnte Präsident Obama, er würde sich freuen, Palästina als vollständiges Mitglied der Vereinten Nationen begrüssen zu dürfen. Andererseits ist das Amerikanische Veto im Sicherheitsrat vom 18. Februar noch in lebendiger Erinnerung, als es um die Verurteilung Israelischer Siedlungen als Hindernisse zum Friedensprozess ging.
Kann die Generalversammlung einspringen?
Damit ein Staat als neues Mitglied in den Vereinten Nationen aufgenommen werden kann, muss der Sicherheitsrat diesen zunächst zur Aufnahme empfehlen. Erst wenn dieser Schritt erfolgt ist, kann eine Zweidrittelmehrheit in der Generalversammlung über dessen Aufnahme entscheiden. Soweit sich die Lage einschätzen lässt, hängt dabei alles vom Willen der Vereinigten Staaten ab. Sollten sie sich der Stimme enthalten, könnte der Vorstoss gute Chancen haben. Mindestens 118 Staaten erkennen Palästina als souveränen Staat an.
Sollten allerdings die Vereinigten Staaten diesen Vorstoss nicht unterstützen, bleibt Palästina die volle Mitgliedschaft verwehrt.
Umweg über “Uniting for Peace”?
In der Vergangenheit sind viele Resolutionen der Generalversammlung erlassen worden, um die Praxis Israels (z.B. den Bau von Siedlungen im Westjordanland) zu verurteilen, auch in Bereichen, wo der Sicherheitsrat zuständig gewesen wäre. Diese Kompetenz hat die Generalversammlung seit 1950, als sie die sogenannte „Uniting for Peace“ – Resolution erliess, welche ein Eingreifen der Vereinigten Staaten in den bewaffneten Konflikt auf der Koreanischen Halbinsel ermöglichte – entgegen dem Veto der UdSSR im Sicherheitsrat.
In diesem Fall geht es aber nicht um eine unmittelbare Frage der internationalen Sicherheit oder des globalen Friedens sondern um die Anerkennung eines Palästinensischen Staats als vollwertiges Mitglied der Vereinten Nationen. Die „Uniting for Peace“ – Resolution kann also nicht angewandt werden. Ob Palästina als vollwertiges Mitglied einer internationalen Organisationen anerkannt wird oder nicht, ist nur indirekt für den Friedensprozess relevant.
Von Beobachterin zu permanente Beobachterin?
Momentan hat Palästina in der UNO den Status einer Beobachterin inne, aber als „entity“ (also als Rechtsgebilde), nicht als Staat. Eine Resolution könnte auch das Ziel haben, Palästina den Status eines „permanent observers“ zu verleihen, ein Status welcher heute nur noch vom Vatikan inne gehalten wird. Obwohl nicht in der Charta der Vereinten Nationen festgehalten, hat die Generalversammlung die Kompetenz, diesen Status zu verleihen. Für Palästina würde das aber wenig ändern.
Höchsten könnte es sich eventuell an den Internationalen Gerichtshof wenden (ob dies permanente Beobachter tun können ist umstritten), jedoch wäre auch dieser Schritt zwecklos, da Israel nicht die zwingende Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs anerkennt.
Begrenzte Wirkung
Ob eine Resolution ohne Empfehlung durch den Sicherheitsrat zustande kommt oder nicht, ist kaum relevant. Würde die Resolution verabschiedet, beträfen künftige Streitigkeiten die Grenzziehungen zwischen zwei Staaten. Die prekäre Sicherheitssituation würde also auch in diesem Fall nicht entschärft. Die Politik Israels gegenüber Palästina würde sich nicht ändern und die Aktivität des Sicherheitsrats in dieser Frage würde auch in Zukunft massgeblich durch die Vereinigten Staaten gesteuert werden.
Antoine Schnegg lebt in den Niederlanden. Er ist Jurist und spezialisiert sich momentan im Fachbereich Völkerrecht mit besonderem Schwerpunkt auf Völkerstrafrecht. Antoine Schnegg ist ein Gründungsmitglied von foraus und hat bis zu seinem Wegzug aus der Schweiz die Arbeitsgruppe Internationale Organisationen geleitet.
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