Von Anna Stünzi – Dass die Masseneinwanderungs- und die ECOPOP-Initiative abzulehnen sind und die Ausweitung der Personenfreizügigkeit mit Kroatien anzunehmen ist, ist keine Offenbarung. Vielmehr zeigt sich aber, dass die Reihenfolge wichtig ist, in welcher die Abstimmungsvorlagen vors Volk kommen.
Wer der Masseneinwanderungsinitiative (MWI) zustimmt, wird dies vermutlich auch bei der ECOPOP-Initiative tun. Nicht unbedingt, weil ihn der Umweltaspekt tatsächlich interessiert, sondern weil alle Möglichkeiten genutzt werden, um die Zuwanderung irgendwie zu beschränken. Die Argumentation der MWI geht schliesslich nicht weiter, als dass sie das “Wachstum von Zuwanderern aus der EU, Probleme im Asylwesen und illegale Einwanderer als Problem ansieht” und mit Kontingenten beschränken will; daher werden vermutlich alle Vorschläge, die die Zuwanderung verhindern, bedenkenlos übernommen. Für WählerInnen, die die ECOPOP-Initiative unterstützen, könnte hingegen zu vermuten sein, dass sie nicht unbedingt auch für die Masseneinwanderungsinitiative stimmen: weil sie ein (zwar absurdes) ökologisches Argument bringen, das durch die Masseneinwanderungsinitiative aber definitiv nicht instrumentalisiert wird.
ECOPOP first?
Kommt zuerst die ECOPOP-Initiative zur Abstimmung ist demnach zu vermuten, dass der Abstimmungskampf für die MWI nicht komplett durch denjenigen der ECOPOP ersetzt wird. Es ist durchaus möglich, dass die Prozentzahlen der Zustimmung/Ablehnung schwanken, gerade eben weil andere, neue Argumente ins Spiel kommen. Kommt hingegen zuerst die MWI zur Abstimmung, werden mit grosser Sicherheit alle MWI-UnterstützerInnen auch die ECOPOP-Initiative bejahen. Wird die MWI abgelehnt, wäre es sogar denkbar, dass solche Personen, die vorher bei der MWI ‚Nein‘ stimmten, nun in der zweiten Abstimmung der ECOPOP-Initiative zustimmen würden. Man will ‘ja trotzdem etwas gegen das Ausländerproblem tun und dann auch gleich noch etwas für die Umwelt machen’ – ohne selber das Heizöl runterdrehen zu müssen.
Wenn ein Abstimmungserfolg der Initiativen verhindert werden soll, ist daraus zu schliessen, dass über die ECOPOP-Initiative vor der MWI abgestimmt werden sollte – vor allem aus taktisch-politischen Gründen, wie den oben genannten.
PFZ-Stolperstein Kroatien
Nochmals komplizierter wird es, wenn die dritte Abstimmungsvorlage zur Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien zur Diskussion kommt . Der Zeitpunkt für die günstigsten Abstimmungsbedingungen wäre vermutlich nach den beiden Initiativen, obwohl auch dann mit Schwierigkeiten zu rechnen ist: Direkt nach dem Abstimmungskampf zu den Initiativen wird die Stimmung aufgeheizt sein. Werden die Initiativen angenommen, so ist es möglich, dass viele ‘unbesorgt’ ‚Ja‘ stimmen, weil man die Kontingente nun sowieso beschränkt hat. Werden die Initiativen abgelehnt, so ist eine Annahme der Ausweitung auf Kroatien aus Angst vor der sogenannten Überfremdung schwieriger durchbringen. Trotzdem ist dieser negative Gesamteinfluss vermutlich kleiner, als wenn die Abstimmung vor der MWI oder der ECOPOP-Initiative käme. Wird der Ausweitung nach Kroatien nämlich zugestimmt, wäre die Angst vor der Überfremdung (gerade während einem Abstimmungskampf) vermutlich so gross, dass noch mehr BürgerInnen für die beiden Initiativen stimmen würden, was dann der Ausweitung der PFZ auf Kroatien auch wieder einen Deckel aufsetzt.
Alle drei zusammen
Ein letztes mögliches Szenario wäre, über alle drei Abstimmungsvorlagen gleichzeitig abzustimmen. Hierbei vermute ich, dass die meisten Abstimmenden einen inneren Trade-Off machen. Wenn sie der einen Initiative nicht zustimmen, dann vermutlich eher der anderen –eigentlich zählen die gleichen Argumente wie oben, nur eben dass der Zeithorizont ein anderer ist. Und dass doppelt so viele Argumente und Wahlpropaganda von allen Seiten auf die WählerInnen einwirken. Dies wird einen noch stärkeren Effekt haben, als wenn zwischenzeitlich nach einer Abstimmung ein wenig Ruhe einkehrt. Ein bisschen Zeit zwischen den Abstimmungsterminen fördert die sachliche Argumentation wahrscheinlicher, als ein riesiger Wahlkampf, wo verschiedene Hintergründe und Grundlagen vermischt werden könnten, um den eigenen Abstimmungskampf zu gewinnen.
Demzufolge lässt sich schliessen, dass folgende Reihenfolge wünschenswert wäre: ECOPOP-Initiative, Masseneinwanderungsinitiative, Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien.
Anna Stünzi, aus Zürich, studiert Psychologie und Volkswirtschaft an der Universität Zürich, arbeitete in einem internationalen IT-Projekt bei einer Versicherungsgesellschaft und ist Mitglied bei foraus in der Arbeitsgruppe Migration.
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