Aus Alt mach Neu: Islamophobie und Überfremdungsrhetorik in der Schweiz

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Der islamfeindliche Diskurs, der in der Minarett- und Burka-Initiative seine bisherige Blüte fand, ist kein Novum in der Schweizer Abstimmungslandschaft. Dies zeigt der Blick zurück in die Geschichte.

 

Die Abstimmung über die Minarett-Initiative im Herbst 2009 war begleitet von emotionalen Debatten, von Diskussionen rund um die Identität der Schweiz sowie von (Des-)Information über den Islam und die Muslime. Zu einer neuen Blüte schwingt sich dieser Diskurs nun im Kontext des Burka-Verbots auf – dem neuesten als Volksbegehren dargestellten Schachzug der Minarett-Gegner. Muslime werden stilisiert als das bedrohliche Fremde schlechthin.

Was einst die Italiener waren…

Diese beiden Initiativen mögen zwar einen vorläufigen Höhepunkt in der öffentlichen Ausgrenzung des Islam und der Muslime in der Schweiz darstellen – wirklich neu ist der Überfremdungsdiskurs an sich jedoch nicht. Vielmehr ist der islamfeindliche Ton eine Fortführung der Überfremdungs-Rhetorik der 60er Jahre. Mit neuen, anderen Vorzeichen.

Dies zeigt ein Vergleich der Minarett- und der Schwarzenbach-Initiative, zum Beispiel bezüglich Urheberschaft: Schwarzenbach, Sohn einer Zürcher Industriellen-Familie, war der erste Schweizer Rechtspopulist, der es verstand, mit Polarisierung, Provokation und gezielter Instrumentalisierung der Überfremdungsdebatte für Aufmerksamkeit zu sorgen und Wähler zu mobilisieren. Die Minarett-Gegner – das Egerkinger-Komitee – sind eine Gruppierung aus dem Dunstkreis der SVP und der EDU.

Interessant sind auch die zahlreichen inhaltlichen Parallelen: In den 60er Jahren drohte eine „Schweizerische Eigenart“ – ausgedrückt in Tugenden wie Gewissenhaftigkeit, Traditionsbewusstsein, Masshalten oder Freiheitsliebe – durch kommunistische, assimilationsunwillige Italiener verdrängt zu werden. Heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, droht ein konfuses Ganzes aus Kopftuch, Polygamie und Geschlechtertrennung das christlich-jüdische Abendland zu verdrängen, dessen Bausteine die Demokratie und der Rechtsstaat sind. Vergleichbar sind auch die demographischen Bedrohungsszenarien, beziehungsweise der drohende religiöse Unfriede (durch ein Übermass an Katholiken oder Muslimen), welcher ins Feld geführt wird. Wobei die Minarett-Gegner sich nicht nur als Christen, sondern insbesondere in ihrer Identität als aufgeklärte, säkulare Europäer bedroht fühlen. Und nicht zuletzt wird natürlich eine politische Drohkulisse gezeichnet. An die Stelle des Kommunismus ist der Islamismus getreten und Muslime stehen unter Generalverdacht, die Schweizer Demokratie zu unterwandern.

Überfremdung – alte Angstmache neu aufgetischt

Beide Abstimmungsrhetoriken basieren auf einer volksfesthaft stimmungsvollen Kategorisierung des „wir Schweizer“ und des „bedrohlichen Fremden“. Dahinter steht das populistische Kalkül, diffuse Ängste gegenüber diesem Fremden für politische Stimmungsmache zu nutzen und allgemeine Ängste in der Gesellschaft erst als Überfremdungsangst herbei zu reden. Was bei Schwarzenbach allerdings noch eine erstmals erprobte Strategie war, ist beim Egerkinger-Komitee und den Minarett-Gegnern eine längst ausgereifte und verfeinerte Taktik.

Der Überfremdungsdiskurs lässt sich in unterschiedlichen historischen Kontexten mit entsprechend angepassten Vorzeichen immer wieder reaktivieren. Politische Resteküche sozusagen. Sowenig die Italiener die Schweiz, ihre Werte und den religiösen Frieden zerstört haben, so wenig tun es die Muslime. Ein aufgeklärter Bürger lernt von der historischen Erfahrung und begeht nicht vorsätzlich wiederholt die gleichen Fehler. In Anbetracht einer inzwischen eingesessenen Gruppe muslimischer Mitbürger sind vielmehr zukunftstaugliche Ansätze in der Migrations- und Integrationspolitik gefragt.