Transparenz im Rohstoffhandel: Mitspielen statt die Ersatzbank drücken

Entwicklungspolitik

Die Schweiz ist einer der wichtigsten globalen Rohstoffhandelsplätze. Mit ihrer Politik der Zurückhaltung bei Fragen der Transparenzregelung im Rohstoffhandel katapultiert sie sich jedoch ins Abseits der internationalen Entscheidungsarena. Es ist für die Schweiz an der Zeit, aktiv an einem umfassenden Ansatz der Unternehmensverantwortung mit zu arbeiten. Das EITI Board Meeting diesen Oktober in Bern bietet dazu eine gute Chance.

 

Rohstoffbusiness – das sind Kupferminen, Kohlebergwerke, Bohrinseln und Frachter in grossen Umschlagshäfen. Das sind SBB-Züge, ABB-Maschinen, Toaster, MacBooks und Smartphones. Es sind Goldschürfer in Ghana, Ölcontainer im Atlantik und Palmölplantagen in Indonesien – und nicht zuletzt sind es Briefkästen und Büros von multinationalen Unternehmen mit Sitz in Genf oder Zug. Die Schweiz ist einer der wichtigsten Sitzstaaten von Unternehmen in diesem Geschäft, das wegen häufiger Risiken für Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen, sowie der Verbindung zu Korruption und Misswirtschaft in Entwicklungsländern im Scheinwerferlicht steht.

Was geht das die Schweiz an? So einiges. Ein System, in dem global tätige Unternehmen allein von den Regierungen der Gastländer zu verantwortungsvollem Wirtschaften verpflichtet werden, ist längst nicht mehr zeitgemäss. Ein ganzheitlicher, ausgewogener Ansatz muss her, welcher der geteilten Verantwortung von Sitz- und Gaststaaten von Unternehmen gerecht wird. Zumal beide an den Risiken und an den Vorteilen des Geschäfts beteiligt sind.

Tatsächlich anerkennt die Schweiz Handlungsbedarf im Rohstoffbereich. Im Transparenzbericht vom Juni 2014 sagt der Bundesrat, dass die Offenlegung von Zahlungen an staatliche Stellen (beispielsweise für Förderlizenzen oder Transaktionen mit nationalen Ölfirmen) das zentrale Element ist, um das Versickern von Rohstoffeinnahmen in Entwicklungsländern zu reduzieren und Reputationsrisiken für Schweizer Unternehmen zu minimieren.

Bei der Umsetzung haperts 

Die Umsetzung dieser Erkenntnisse, wie sie im Vorschlag zur Aktienrechtsrevision steht, fällt hingegen deutlich zurückhaltender aus: Rohstoffunternehmen müssen Zahlungen an Regierungen zwar offenlegen, jedoch nur, wenn sie im Zusammenhang mit dem Rohstoffabbau stehen. Eine Transparenzpflicht für Zahlungen im Rohstoffhandel ist nicht vorgesehen – und dies obwohl die Schweizer Rohstoffbranche massgeblich durch Handelsfirmen geprägt ist. Ein Drittel des auf der Welt gehandelten Öls passiert die Handelsdrehscheibe Schweiz – ohne je physisch Schweizer Boden berührt zu haben.

Der Bundesrat setzt die Schweiz damit auf die Ersatzbank und wartet, bis die grossen Player auf dem Spielfeld des Weltgeschehens den ersten Schritt wagen. Einen Einbezug des Rohstoffhandels hält er in Zukunft nämlich für möglich – aber nur „im Rahmen eines international abgestimmten Vorgehens“. Die Gründe für diese Passivhaltung? Angst vor einem Alleingang und vor dem Abwandern der Unternehmen. Nicht zuletzt ist diese Politik aber auch in der Unterschätzung des Risikos begründet, im internationalen Vergleich als Regulierungsoase wahrgenommen zu werden. Ausserdem sind solche gesetzlichen Hintertüren auch aus demokratischer Sicht höchst problematisch, denn sie stellen eine Möglichkeit für die Regierung dar, ungenaue „Delegationsnormen“ festzulegen, um Gesetze „international abzustimmen“, die nicht durchs Parlament kämen.

Dabei wäre es wichtig für die Schweiz, bei der Schaffung eines internationalen Transparenzstandards für den Rohstoffhandel eine aktive Rolle einzunehmen und mit gleichgesinnten Sitzstaaten zusammenspannen. Damit könnte die Schweiz einen entsprechenden Standard nicht nur mitprägen, sondern sie könnte zur Etablierung gleich langer Spiesse mit anderen Rohstoffhandelsplätzen beitragen und so das Abwanderungsrisiko minimieren.

Wie soll die Schweiz ein solches Unterfangen angehen?

Ende Oktober ist die Schweiz Gastgeberin des Board Meetings der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI), der wichtigsten internationalen Transparenzinitiative, die auf eine Offenlegung der Zahlungsströme zwischen Regierungen im Abbauland und Unternehmen abzielt: ein idealer Rahmen für die Schweiz, wirkliches Engagement zu zeigen. Dazu gehört nicht nur das Bekräftigen der Unterstützung der Initiative, wie sie ist (sie setzt bei den Gaststaaten an, die die Vorgaben zur Transparenz erarbeiten und fokussiert zurzeit noch stark auf den Rohstoffabbau). Die Schweiz als Sitzstaat zahlreicher global führender Rohstoffhandelsfirmen sollte ihr Engagement vielmehr darauf konzentrieren, einen Transparenzstandard, wie er werden soll, aktiv mitzugestalten, unter Einbezug von Industrie, Investoren, EITI Mitgliedern – und Unterstützern und NGOs, die alle am Board Meeting teilnehmen werden.

Dieses Zusammentreffen bietet eine einzigartige Möglichkeit, erste Partnerschaften für die Ausarbeitung eines solchen Standards zu etablieren. Daraus könnte eine Pioniergruppe mit anderen globalen Rohstoffhandelsplätzen wie Grossbritannien und Singapur entstehen, die bereits bestehende Strukturen von EITI nutzt,  um eine neue Herangehensweise an Transparenz im Rohstoffhandel zu verfolgen. Eine, die die Verantwortung der Sitzstaaten miteinbezieht.

Deutschland hat mit seiner kürzlich öffentlich erklärten Bereitschaft, EITI beizutreten, genau das getan: Es hat sich als Industriestaat mit unwichtigem Wirtschaftsanteil an Rohstoffabbau zu EITI bekannt, um ihrem Interesse und ihrer Unterstützung für ein transparentes internationales Ressourcenmanagement Ausdruck zu verleihen und gemeinsam mit Entwicklungs- und Schwellenländern die Transparenzagenda zu stärken.

Die Gelegenheit für die Schweiz, ebenfalls einen Schritt in diese Richtung zu tun, ist günstig – sie verstreichen zu lassen wäre das Vergeben einer Torchance, die nicht zuletzt den Schweizer Playern das Mitspielen in einer internationalen Liga ermöglichen könnte.

Dieser Beitrag erscheint in einer Blogreihe zum Thema Rohstoffe.