Andrea Jud – Der Ständerat Hannes Germann fordert eine Erhöhung des Schweizer Kontingents für syrische Flüchtlinge. Die Forderung ist richtig, die Zeit dafür längst gekommen!
Seit zweieinhalb Jahren dauert der blutige Konflikt in Syrien. Selten bekam er so viel Medienaufmerksamkeit, wie im Moment. Grund ist die Diskussion um einen Militärschlag der USA, der die syrische Führung für die Verwendung von Chemiewaffen bestrafen soll. Jetzt spricht SVP-Ständerat Hannes Germann die Aufnahme von syrischen Flüchtlingen in einem Kontingent an. Letzte Woche forderte er in der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates einen Bundesratsbeschluss zur Erhöhung des Kontingentes. Diese Forderung kann nur unterstützt werden!
Wenn die USA militärisch auf den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien reagieren, dann um glaubwürdig zu bleiben. Viel weiter gehen die Ambitionen jedoch nicht. Es ist zu bezweifeln, dass ein Militärschlag den Konflikt entscheidend beeinflussen wird. Ein Ende der Gewalt ist weiterhin nicht in Sicht. Die jetzt entstandene Aufmerksamkeit sollten wir allerdings nutzen, um uns an das Leiden der Zivilbevölkerung zu erinnern.
Humanitäre Katastrophe und überforderte Nachbarn
Seit 2011 wurden in Syrien über 100.000 Menschen getötet. Wie schlimm die Lage ist, zeigt auch die Flut an Menschen, die Syrien verlassen: Fast zwei Millionen Flüchtlinge sind in Syriens Nachbarländer von UN-Hilfe abhängig. Mehrere Millionen aus ihrem Daheim Vertriebene befinden sich noch in Syrien selbst. Viele davon sind von jeglicher Hilfe abgeschnitten. Die Vereinten Nationen sprechen von der schlimmsten humanitären Katastrophe seit 30 Jahren.
In den Nachbarländern ist die Lage ernst. Im kleinen Libanon sind inzwischen über zehn Prozent der Bevölkerung syrische Flüchtlinge, die von einer Versorgung durch die UNO abhängig sind. In Jordanien ist ein Zeltlager mit über 120.000 Flüchtlingen inzwischen die viertgrösste Stadt des Landes. Die UN hat kaum die Mittel, die Menschen mit Wasser und einer täglichen Mahlzeit zu versorgen.
Die Schweiz ist besorgt
Die Schweiz zeigt sich „äusserst besorgt über die politische und humanitäre Lage in Syrien“ und ruft zum Schutz der Zivilbevölkerung auf. Auch Hilfeleistungen in den vom Flüchtlingsstrom betroffenen Nachbarländern werden unterstützt. Doch die oben genannten Zahlen zeigen, dass die Schmerzgrenze für diese Länder längst überschritten ist. Die Last ist auch mit internationaler Unterstützung nicht mehr angemessen zu bewältigen.
Bei der Aufnahme von Flüchtlingen hält sich die Schweiz jedoch auffallend zurück: Ganze 37 Flüchtlinge aus Syrien nahm die Schweiz auf Gesuch der UN im März 2013 auf, 36 im September 2012. Im Vergleich dazu bewilligte Deutschland ein Kontingent von 5.000 Flüchtlingen aus Syrien. In der Schweiz kann Justizministerin Simonetta Sommaruga in eigener Kompetenz Gruppen unter 100 Personen aufnehmen. Für grössere Kontingente braucht es einen Entscheid des gesamten Bundesrates.
Eine Wiederaufnahme der Kontingentspolitik?
Im Kontingentsverfahren wählt die UN in Zusammenarbeit mit dem Aufnahmeland besonders verletzliche Flüchtlinge aus und vermittelt diese als Gruppe. Die Schweiz hat diese Praxis jedoch 1998 mit zunehmenden individuellen Asylgesuchen gestoppt. Jetzt wird vermehrt eine Wiederaufnahme der Kontingentspolitik gefordert. Die Erhöhung des Kontingents für Flüchtlinge aus Syrien ist dazu ein richtiger Schritt.
Andrea Jud, M.A., ist Politikwissenschaftlerin und Islamwissenschaftlerin. Sie arbeitet zu Ägypten und Syrien, wo sie sechs Monate lebte.
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