WASSER MAL “NACHHALTIG”: WIE DIE ENTWICKLUNGSZIELE DEM NAMEN GERECHT WERDEN SOLLEN

Entwicklungspolitik

Von Michael Pletscher  Die Millennium Development Goals der Uno sollten den Zugang zu Trinkwasser verbessern. Doch die Entwicklungsprojekte waren längerfristig zum Scheitern verurteilt. Das soll sich mit der Post-15-Agenda ändern – hoffentlich.

Dieser Beitrag und Teil einer Blog-Reihe zu den Sustainable Development Goals (SDG). Diese Blog-Reihe reflektiert bis Mitte Oktober verschiedene Aspekte dieser zukünftigen Entwicklungsagenda.

Für die UNO ist klar: der verbesserte Zugang zu Trinkwasser ist einer der grossen Erfolge der Millennium Development Goals (MDGs). Der Staatenbund hatte sich zum Ziel gesetzt „bis 2015 die Anzahl Personen ohne nachhaltigen Zugang zu sicherem Trinkwasser zu halbieren“. Im Jahresbericht 2013 wird festgehalten, dass in den letzten 21 Jahren 2.1 Milliarden Menschen weltweit verbesserten Zugang zu sauberem Trinkwasser erhalten haben. Man brüstet sich damit, dieses Teilziel bereits 2010, also fünf Jahre vor Ablauf der Frist, erreicht zu haben. Doch das Eigenlob kommt verfrüht.

Eine zweifelhafte Erfolgsgeschichte

Von Nachhaltigkeit kann aber in vielen Wasser-Entwicklungsprojekten keine Rede sein. Studien des Rural Water Supply Network (RWSN) und von WatSan Consulting haben gezeigt: die durchschnittliche Lebensdauer eines Wasserprojekts in einem Entwicklungsland beträgt ungefähr zwei bis drei Jahre. Danach bricht ein Projekt oftmals aufgrund fehlender Wartung und Betreuung zusammen.

Diese Grafik zeigt die kurzfristige und ineffiziente Wirkungsweise von Wasserentwicklungsprojekten auf. Alle paar Jahre bricht ein Wasserprojekt zusammen (dünne Linien), bevor wieder ein Neues gestartet wird. Die Gesamtkosten steigen, die Personen mit konstanter Wasserversorgung bleiben jedoch immer etwa gleich niedrig. (Quelle: Fontes Foundation)

Während meines Praktikums für Fontes Foundation Uganda habe ich in Westuganda solche Fehlschläge des Öfteren gesehen. In den Dörfern trifft man immer wieder auf stillgelegte Brunnen und abgebrochene Handpumpen. Grosszügige Geldsummen wurden für den Bau der Pumpen und Brunnen aufgewendet –  danach aber stand kein Geld mehr für die Instandhaltung der Systeme zur Verfügung, Ersatzteile konnten nicht gekauft werden. Das Projekt brach zusammen, die gescheiterte Entwicklungs-Organisation zog sich zurück und einige Zeit später sprang eine neue Organisation in die Lücke, um eine eigene Trinkwasser-Lösung zu installieren. Erfahrene Entwicklungsexperten bestätigten mir, dass es einfacher sei, 10‘000 Franken für eine neues Wasserprojekt zu beschaffen als 1‘000 Franken für die Instandhaltungskosten von bestehenden Systemen. Ein neues Projekt lässt sich bei den Gönnern besser vermarkten.

Die Sustainable Development Goals – Eine Chance?

„Nachhaltigkeit“: Ein Wort, welches es nun bei den SDG gilt, in die Tat umzusetzenBei den MDGs wurden sehr ehrgeizige Zielwerte festgelegt, wie die weltweite Halbierung der Anzahl Menschen ohne nachhaltigem Zugang zu Trinkwasser bis 2015. Ein Ziel, welches falsche Anreize setzte und zu einer kurzfristigen Entwicklungszusammenarbeit führte, welche in der Praxis mehrheitlich als gescheitert betrachtet werden kann. Die erstmalige Versorgung von möglichst vielen zusätzlichen Menschen mit Trinkwasser ging auf Kosten der Nachhaltigkeit dieser Wassersysteme: Auf dem Papier vermerkt die UNO eine weltweit zunehmende Wasserversorgung, in der realen Welt jedoch bleibt die Anzahl Menschen mit konstanter Wasserversorgung etwa gleich niedrig.

Ein Anblick, der nicht selbstverständlich ist: Einheimische beziehen Wasser an einer öffentlichen Wasser-Station im ugandischen Fischerdorf Katunguru-Kasese. Im Vergleich zu diesem gut funktionierenden Projekt der Entwicklungs-NGO Fontes Foundation brechen viele andere nach 2-3 Jahren wieder zusammen. (Quelle: Michael Pletscher)

Sustainable Development Goals – der Name sollte Programm sein: Qualität vor Quantität und Nachhaltigkeit anstelle schnellen „Erfolgen“. Anstatt die Anzahl Menschen ohne Trinkwasserzugang um 50 Prozent zu reduzieren, würde man die Zahl besser niedriger ansetzen (zum Beispiel bei 20 %), dies dafür auf eine langfristige und auch wirklich funktionierende Weise. Das so gesparte Geld für neue Projekte sollte dann jedoch in den Aufbau von lokalen Kompetenzen investiert werden. Auf lange Frist gesehen sollte unbedingt die komplette Unabhängigkeit der installierten Projekte von der ausländischen NGO angestrebt werden, auf kurze beziehungsweise mittlere Frist ist dies jedoch kaum möglich. Wie meine Arbeit in Uganda gezeigt hat, ist der Aufbau der Kompetenzen für die Selbstverwaltung ein Prozess, der viel Zeit in Anspruch nimmt.

Nebst dem reinen Zugang zu Trinkwasser bedeutet Nachhaltigkeit aber auch, dass mit der Ressource Wasser schonender umgegangen werden muss. Deshalb sollte ein SDG im Bereich Wasser auch Teilziele bezüglich Abwasser-, Wasserqualitäts- und Wasserressourcenmanagement beinhalten. Auch hier gilt es, realistisch zu bleiben und nicht mit allumfassenden und zu ehrgeizigen Zielen den Rahmen des in der Praxis Möglichen zu sprengen. Der schonende Umgang mit Wasser hat dabei für die Schweiz genauso zu gelten wie für Subsahara-Afrika Länder wie Uganda oder Tansania. Den Verfassern der SDGs – also die internationale Gemeinschaft und somit auch die Schweiz –  kommt hier eine grosse Verantwortung zu.

Michael Pletscher (25) ist Mitglied der Foraus Regio-Gruppe St. Gallen, absolviert einen Master in Internationale Beziehungen und Staatsführung an der Universität St. Gallen und war während sechs Monaten in einer Entwicklungs-NGO in Uganda tätig.

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