Chemikalien auf Abwegen – Was hier verboten ist, wird anderswo gespritzt

Entwicklungspolitik

Die Schweiz ist ein historisch wichtiger Produktionsstandort für Pestizide. Gleichzeitig hat die Schweiz diesbezüglich eine der weltweit strengsten Zulassungsverordnungen. Was hier wegen negativen Auswirkungen auf Umwelt und/oder Gesundheit verboten wird, hält die Firmen nicht davon ab, die gefährlichen Chemikalien in Entwicklungsländern zu verkaufen. Könnte die Konzernverantwortungsinitiative (KOVI) daran etwas ändern?

Bergidylle und Firmenlogos

Tief im Innern Myanmars schmiegen sich kleine Dörfer an die grüne Hügellandschaft. Elektrizität gibt es keine und eine befahrbare Strasse existiert auch nicht. Neben den Kalaschnikows der örtlichen Miliz sind leere Saatgut-Säcke von Syngenta eines der wenigen Anzeichen der modernen Zivilisation. In einem Schuppen stehen verwitterte Behältnisse mit Pestiziden, die Firmenlogos und Gefahrhinweise sind kaum mehr lesbar. Schutzausrüstung ist keine zu sehen und bei der Wanderung durch die Felder wird auch offensichtlich, dass zum Spritzen keine benutzt wird.

Die geschilderte Szenerie entspricht erschreckend genau dem Bericht, welchen die Schweizer NGO Public Eye im November 2017 zum Gebrauch vom Syngenta Totalherbizid Paraquat verfasst hat. Dieser deckt auf, unter welchen gefährlichen Umständen Arbeiter auf philippinischen Plantagen Paraquat spritzen, was bei vielen Menschen zu gesundheitlichen Problemen führt. Wegen seiner Gefährlichkeit für Mensch und Umwelt wurde Paraquat in der Schweiz bereits 1989 verboten. Mittlerweile ist es auch in der EU nicht mehr zugelassen und Länder wie Brasilien und China wollen dieser Praxis folgen.

Schwache Gesetzgebung in Entwicklungsländern

Grundsätzlich ist jeder Staat selbst für die Zulassung von Pestiziden zuständig. Dies führt dazu, dass Paraquat in den USA zugelassen ist und in der EU nicht. Was in den USA an einer anderen Rechtspraxis liegt (hier gilt nicht das Vorsorgeprinzip, d.h. die Schädlichkeit eines Produkts muss zweifellos bewiesen werden), ist für Entwicklungsländern oft eine einfache Kostenfrage. Je älter das Pestizid und je unspezifischer dessen Wirkung (und daher oft auch gefährlicher), desto günstiger ist es erhältlich. Vielen Entwicklungsländern fehlt es schlichtweg an Ressourcen für ein ähnlich rigoroses Zulassungsverfahren wie in der Schweiz. Dazu kommt, dass Behörden in Entwicklungsländern befürchten, sie würden den Bauern den Todesstoss versetzen, sollten sie gewisse Pestizide verbieten. Zudem ist die Beurteilung von Zulassungsdossiers anspruchsvoll. Da diese einerseits oft sehr umfangreich und komplex sind und es andererseits in der Vergangenheit vermehrt zu Vorfällen der aktiven Beschönigung von Studien zu Zulassungsdokumenten vonseiten der Pestizid-Branche kam.

Dadurch ergibt sich in vielen Entwicklungsländern eine weniger strikte Gesetzgebung als diese in Industrienationen wie der Schweiz vorhanden ist. Ausserdem wird die Einhaltung von Gesetzgebungen in Entwicklungsländern oftmals nicht angemessen überprüft. Da von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern am Subsistenzniveau nicht erwartet werden kann, dass sie sich eine teure Schutzausrüstung kaufen, ist unklar, ob eine korrekte Umsetzung von vorhandenen Gesetzgebungen überhaupt realistisch ist.

Was kann die KOVI ändern?

Für Syngenta heisst das, im konkreten Fall des Pestizids Paraquat aber auch generell, dass das Unternehmen keine Verantwortung für die offensichtlich fehlerhafte Anwendung seiner Pestizide übernehmen muss. Schliesslich ist das Pestizid in Ländern wie den Philippinen gesetzlich zugelassen.

Dieses bestehende Vakuum der Verantwortung würde mit einer Annahme der KOVI geschlossen. Neu müsste Syngenta nachweisen können, dass sie ihre Sorgfaltspflicht bezüglich internationalen Umweltstandards und Menschenrechten wahrnimmt. Hierzu gibt es bereits ein Gutachten, welches besagt, dass der Verkauf von gefährlichen Pestiziden, von denen Syngenta weiss, dass sie mit schädlichen Folgen falsch verwendet werden, eine Verletzung der Menschenrechte darstellt. Die konkrete Reichweite der Verantwortung Syngentas im Falle des Pestizides Paraquat aber auch für die richtige Verwendung anderer Pestizide, müsste bei Annahme der KOVI neu und konkret ermittelt werden. Fest steht jedoch, dass die Annahme der KOVI den Verkauf von gefährlichen Pestiziden in Entwicklungsländern durch Syngenta auf den Prüfstand stellen und damit erschweren würde. Ausserdem würde die Annahme der KOVI die Forderung nach globaler Verantwortung unterstützen; hochgiftige Substanzen, die bei uns aus gutem Grund längst verboten sind, endlich weltweit vom Markt zu nehmen.