Am 15. April wurde Milo Đukanović zum Präsidenten Montenegros gewählt und das nicht zum ersten Mal. Seit Jahren bestimmt er über das kleine Balkanland wie über sein eigenes Familienunternehmen. Für die Rechtsstaatlichkeit und die wirtschaftliche Entwicklung ist das verheerend. Die EU drückt jedoch beide Augen zu.
Dem Westen jedoch war Đukanović – allen Bedenken zum Trotz – bereits in den 90-er Jahren sympathisch. Đukanović distanzierte sich von Serbenführer Slobodan Milosevic und ist bis heute der wichtigste Ansprechpartner für die EU. Đukanović gibt sich gerne und offen als EU-Politiker. Er hat Montenegro 2017 – trotz gehöriger Rechtsstaatsdefizite – in die Nato geführt.
Der EU scheint es nach einer längeren Flaute plötzlich wieder etwas dringlicher zu sein, die Integration der Westbalkanstaaten voranzutreiben. „Die Erweiterung der EU ist eine Investition in Frieden, Sicherheit, Wohlstand und Stabilität in Europa.“, sagte die EU-Aussenbauftragte Frederica Mogherini und lobte den Fortschritt der verlässlichen Partner auf dem Westbalkan. Sie war im April auf Besuch in der Region.
Die alte Leier des Westens: Stabilität gegen Rechtsstaatlichkeit
Im Februar 2018 veröffentlichte die EU-Kommission ihr Strategiepapier „A credible enlargement perspective for and enhanced EU engagement with the Western Balkans“. Aber glaubwürdige Perspektiven verlangen auch glaubwürdige Massnahmen – allerseits. Es reicht nicht, wenn die EU Montenegro und Serbien und kürzlich auch Albanien und Mazedonien einlädt, Beitrittsverhandlungen aufzunehmen.
Denn verhandeln wird die EU mit jenen Mächtigen, welche zwar Stabilität aber auch Stillstand zementieren. Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, ein dynamischer Arbeitsmarkt, effiziente und nachhaltige Reformen in Gesundheit und Bildung gehören leider in den allermeisten Fällen nicht auf die Liste der Dinge, die sich die Quasi-Autokraten und Klanführer des Westbalkans auf ihre Fahnen schreiben können. Đukanović auch nicht. Die EU hält dies in ihrem neusten Bericht zu Montenegro zwar fest, stellt dem Zwergstaat aber trotzdem einen Beitritt bis 2025 in Aussicht. Eher unrealistisch, wenn man ehrlich ist.
Doch die EU scheint in einem Dilemma zu stecken. Bereits hat es sich auch gerächt, dass die sie über die letzten Jahre oft zu sehr mit sich selbst und den eigenen Krisen beschäftigt war. Russland und die Türkei füllen das Vakuum gerne, was der Stabilität der Region eher abträglich ist. Die EU muss also handeln. Gleichzeitig kann sie dafür eigentlich langfristig nicht auf die Männer setzen, die sie bisher gestützt hat – einschliesslich Đukanović. Denn sie sind es, die das blockieren, was die EU verlangt: weniger Korruption, mehr Rechtsstaat. Wie die EU dieses Dilemma lösen will, steht in den Sternen.
Erklärung für die Zukunft mit den Falschen
Vorläufig hat man am Treffen EU-Westbalkan in Bulgarien im Mai dieses Jahrs erneut betont, wie wichtig die Zusammenarbeit und das Bekenntnis zur europäischen Perspektive sei.
Immerhin enthält die „Erklärung von Sofia, 17.Mai 2018“ auch konkretere Massnahmen. Im Fokus: Die Konnektivität zwischen dem Westbalkan und der EU und innerhalb der Region zu verbessern. Die EU verpflichtet sich, digitale, wirtschaftliche, menschliche, Verkehrs- und Energie- Dimension der Konnektivität „erheblich auszubauen“.
Und da ist er wieder, der lange Schatten des Milo Đukanović. Irgendetwas sagt mir, dass Đukanović ein Interesse daran haben könnte, dass sein Sohn von den Ideen zur Energiesicherheit profitiert. Der besitzt nämlich ein Wasserkraftwerk.
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