Die Stärken der Schweiz als Stille Friedensvermittlerin

Diesen Sommer war die Schweiz Gaststaat im Kontext der Kriege in der Ukraine und dem Sudan. Diese Rolle ist Teil der Guten Dienste der Schweiz. In diesem Blog wird analysiert, was es braucht, damit diese wirksam sind. In einem zweiten Blog wird die schweizerische Strategie für internationale Vermittlungen insbesondere mit derjenigen der Golfstaaten verglichen.

 

Zuletzt stand die Schweiz Mitte Juni als Gaststaat bei der Konferenz zum Frieden in der Ukraine auf dem Bürgenstock im Fokus. Die Konferenz reiht sich in eine lange Reihe von Guten Diensten  der Schweiz  ein. Im August 2024 stand die Schweiz wieder als Gastgeberin im Einsatz, um Gespräche zwischen den Konfliktparteien im Sudan über einen Waffenstillstand zu ermöglichen.

 

Die Guten Dienste im Interesse der Schweiz

 

Die Guten Dienste sind Verfassungsziel der Schweiz und umfassen unter anderem Mediation (die Schweiz als Vermittlerin) und Gaststaatpolitik. Als Gaststaat richtet die Schweiz Friedenskonferenzen und -verhandlungen aus, wobei sie Infrastruktur, Logistik und finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. Als Vermittlerin gestaltet die Schweiz selbst Verhandlungsprozesse, unterstützt informelle Gespräche und hilft, Lösungen zu erarbeiten. Zentral sind dabei ihre Diskretion, Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit.

 

Gemäss der Aussenpolitischen Strategie setzt die Schweiz ihre Guten Dienste dort ein, wo ihre Interessen tangiert sind und sie als Akteurin wirkungsorientiert aktiv sein kann. Ziel ist, sich für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung einzusetzen. Die Rolle als glaubwürdige und effektive Vermittlerin steht im Zusammenhang mit der Schweizer Neutralität, verlangt die Friedensförderung doch eine gewisse Unabhängigkeit und Unparteilichkeit.

 

Was die Schweiz für starke und glaubwürdige Gute Dienste braucht

 

Mit dem Krieg in der Ukraine wurde das Verständnis der Schweizer Neutralität getestet. Dieses Ringen wurde auch von anderen Ländern wahrgenommen und mitunter kritisch rezipiert. Dass die Neutralität für die Guten Dienste nicht alleinig massgebend ist, zeigt sich dadurch, dass neue Akteure mit neuem Paradigma auf der internationalen Bühne der Mediation zunehmend an Relevanz gewinnen. Die Mediationsambitionen von Saudi-Arabien im Ukraine-Krieg und im Sudan, oder Katar im aktuellen Gaza-Krieg sind nur zwei von vielen Beispielen. Diese werden im zweiten Blog  zur Friedensvermittlung vertieft.

 

Neben Neutralität sind weitere Aspekte ebenso zentral für gelungene Gute Dienste. Als Vorbild können diePrinzipien des IKRK herangezogen werden: Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Universalität. Starke Gute Dienste bedingen ein langfristiges, über mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte andauerndes Engagement mit den involvierten Parteien. Dies gelingt, sofern die Friedensförderung breit abgestützt ist, in den eidgenössischen Kommissionen und Räten – und auch in der Bevölkerung.

 

Diese breite Unterstützung kam in der Schweiz in den letzten Jahren und Monaten mitunter ins Wanken: Von rechts wird die Positionierung der Schweiz im Ukraine-Krieg kritisiert, da sie nicht mit beiden Kriegsparteien, d.h. der Ukraine und Russland, verhandle. Dies verletze die Prinzipien der Schweizer Neutralität. Indes kritisieren linke und Mitte-Parteien das Gegenteil: Sie fordern, dass die Schweiz nicht mehr als Vermittlerin gegenüber autoritären Staaten wie Russland oder dem Iran auftritt.

 

Die innenpolitische Kritik untergräbt das Vertrauen in die Rolle der Schweiz als glaubwürdige und verlässliche Vermittlerin. Wichtig ist, dass sich die Schweizer Aussenpolitik auf ihre Stärken und Prinzipien im Bereich der Guten Dienste fokussieren kann und sich nicht in innenpolitischen Diskussionen verliert. Das innenpolitische Vertrauen in die diplomatische Expertise und das multilaterale Engagement der Schweiz kann gestärkt werden, wenn die Schweiz sich an ihren bewährten Stärken (z.B. inhaltliche Expertise, Verlässlichkeit) für die Guten Dienste orientiert, eine transparente Strategie verfolgt und auf viel Visibilität verzichtet. Diesem Weg folgten beispielsweise die Vermittlungen in Kolumbien, wo es mitunter dank dem diskreten Schweizer Engagement gelang, ein Friedensabkommen zwischen der  FARC-Guerilla und der Regierungsarmee abzuschliessen.

 

Weniger Visibilität, mehr Wirkung 

 

Die sogenannte “Hinterzimmer-Diplomatie” ist öffentlich weniger wahrnehmbar als grosse Konferenzen, ist jedoch zentraler Erfolgsfaktor der Vermittlerrolle der Schweiz. Ein stärkerer Fokus darauf entspräche auch der Umsetzung der Aussenpolitischen Strategie 2024-2027, in der festgehalten ist, dass die Schweiz Handlungsspielräume nutzen soll und Konfliktparteien “dort, wo es möglich ist, diskret in Kontakt zu bringen” (S. 29). Dadurch sollen Dialog, Verhandlungen und Kompromissfindung ermöglicht werden.

 

Demnach soll die Schweiz im Bereich der Guten Dienste einen Kompromiss finden zwischen Visibilität und Diskretion. Die Ukraine-Konferenz brachte der Schweiz viel Sichtbarkeit ein, die Erfolge sind aber überschaubar.

 

Weltweit ist die Schweiz in rund 20 Friedensprozessen aktiv – in vielen davon vermittelt sie still. Wie auch EDA-Botschafter Simon Geissbühler kürzlich in einem Interview sagte: «Wir müssen von der Idee Abstand nehmen, dass der Prozess darin besteht, Konferenzen zu organisieren.» Die Gaststaatspolitik ist ein wichtiger Aspekt der Schweizer Aussenpolitik – sie sollten aber nicht ihre Raison d’être sein.