Die Finanzierung der WHO: Ein Einblick mit Saran Thierwächter

Diplomacy & international actors

Anlässlich des 75-jährigen Bestehens der UNO veröffentlicht der forausblog zusammen mit der Gesellschaft Schweiz-ONU (GSUN) und cinfo eine Blogserie über Schweizer Stimmen des Multilateralismus. Mit Interviews, die von jungen Autoren geführt werden, will der forausblog den Schweizerinnen und Schweizern, die im Kontakt mit der UNO-Welt stehen, eine Stimme geben.

Saran Thierwächter ist Finance Officer bei der World Health Organisation (WHO). Er hat Ende Jahres in einem Interview mit Emily Siebeneich und Romain Bachmann über seine Erfahrungen und seinen Werdegang diskutiert.

 

Emily Siebeneich und Romain Bachmann: Wie kam es dazu, dass Sie sich dazu entschieden haben, sich als Finance Officer bei der WHO zu engagieren?

Saran Thierwächter: Der Wunsch mich bei der WHO zu engagieren war ein gradueller Prozess. Es hat mit einer grundlegenden Faszination für die Mission der UNO angefangen und hat sich mit Schlüsselerfahrungen weiter verstärkt. Mit der Zeit habe ich mich bewusster damit auseinandergesetzt und gezielt Veranstaltungen und Seminare besucht. Schlussendlich waren es persönliche Begegnungen mit Menschen, die direkt oder indirekt mit der UNO gearbeitet haben, welche die Entscheidung maßgeblich beeinflusst haben. Während einer Reise in Israel habe ich einen Freund besucht, der in diesem Moment als Beobachter für die UNTSO dort stationiert war. Er nahm sich Zeit, mich an die kritischen Grenzgebiete zu begleiten und mir die politische Problematik zu erläutern. Ein paar Jahre später bin ich nach Kenia gereist und habe an einem Rundgang im UNO-Büro in Nairobi teilgenommen. Dort hatte ich die Möglichkeit, interessante und tiefgründige Gespräche mit unterschiedlichen Person zu führen, die mich zusätzlich motiviert haben, mich der UNO anzuschliessen.

 

Die WHO ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen und das Arbeitsfeld Finance kann sehr vieles beinhalten. Wie genau sieht Ihre Tätigkeit als Finance Officer innerhalb der WHO aus?

Die Tätigkeiten sind sehr vielfältig. In den letzten zwei Jahren habe ich mich vor allem der Analyse und Kontrolle von globalen Ausgaben gewidmet. Dazu gehörten Trendanalysen und die Prüfung ob finanzielle Richtlinien eingehalten wurden. Neu werde ich mich auf die Budgetplanung und -koordination fokussieren. Dabei kommen mir erlernte Fähigkeiten und Erfahrungen von der Privatwirtschaft als Projektmanager zugute, besonders wenn es um die Erstellung von Berichten oder um die Koordination des Budgets geht.

 

Was macht für Sie das Arbeiten bei der WHO so besonders?

Die WHO hat schon immer eine zentrale und wichtige Rolle in unserer Gesellschaft gespielt. Die Pandemie hat ihre systemrelevante Funktion nur noch stärker verdeutlicht. Obwohl ich als Finance Officer eine unterstützende Funktion in der WHO einnehme, sehe ich mich als essentiellen Teil des grossen Ganzen. Den Sinn sehe ich darin, mit meinen erlernten Fähigkeiten und Erfahrungen aus der Privatwirtschaft einen Beitrag zur Lösung finanzieller Herausforderungen der WHO zu leisten. Schlussendlich geht es um die adäquate und nachhaltige Finanzierung des WHO Mandates.

 

Die WHO wird hauptsächlich von drei Hauptquellen finanziert: Von den regulären und den freiwilligen Beiträgen der Mitgliedstaaten sowie von nichtstaatlichen Partnern. Gibt es für die UNO noch andere Finanzierungsmöglichkeiten und wenn ja, wie sehen diese aus?

Der Anteil der regulären Beiträge der Mitgliedstaaten ist in den letzten zwei Jahren zurückgegangen. Dies ist Teil eines langfristigen Trends in den letzten zwei Jahrzehnten, der zu einer konstanten relativen Verringerung der regulären Beiträge und einem steilen Anstieg der freiwilligen Beiträge geführt hat. Im vergangenen Jahr illustrierte der WHO-Generaldirektor in seiner Rede diesen Trend, indem er das Verhältnis zwischen regulären und freiwilligen Beiträgen der 70/80er Jahre mit dem verglich, was wir in den letzten Jahren gesehen haben. Damals machten die veranlagten Beiträge 80% der Finanzierung aus. In den letzten Jahren waren es hingegen 20% und im letzten Jahr nur noch 16%. Im Grunde ist es eine komplette Umkehrung der Proportionen.

Ein hoher Anteil spezifizierter (eng zweckgebundener) freiwilliger Finanzierung stellt eine Herausforderung an die Nachhaltigkeit der Arbeit der WHO. Daher arbeitet die WHO im Rahmen ihrer Transformationsagenda daran, die Finanzierung, deren Planbarkeit sowie deren Flexibilität zu erhöhen. Einer der innovativeren Vorstösse in dieser Hinsicht war die Gründung der WHO-Stiftung. Weitere Anstrengungen unternimmt auch die „Sustainable Financing Working Group“, die von den Mitgliedstaaten der WHO geleitet wird. Die Gruppe erörtert derzeit Möglichkeiten zur Verbesserung anderer Aspekte der WHO-Finanzierung, wie z. B. die schrittweise Änderungen der regulären Beiträge und Wiederauffüllungsmodelle (“Replenishment Models”), die bereits in anderen internationalen Organisationen verwendet werden.

 

Was empfehlen Sie jungen Menschen, die sich auch für eine Laufbahn bei der UNO interessieren? Welche beruflichen Erfahrungen und Fähigkeiten sind nötig, um einen solchen Beruf ausüben zu können?

In meinem Fall haben das frühzeitige Informieren und die Austausche mit erfahrenen UNO-Mitarbeitern geholfen. Insbesondere sollte man sich Klarheit über die eigenen Beweggründe und über dementsprechend mögliche Karrierepfade schaffen. Gleichzeitig sollte man sich fragen, wie hoch die Bereitschaft ist für die Arbeit umzuziehen. Diese Vorbereitungen und Überzeugungen haben mir in dem fordernden Bewerbungsprozessen geholfen und mich durch schwierige Phasen getragen.

Ich denke zudem, dass internationale Berufserfahrung sehr wichtig ist, um zu verstehen wie gut man mit verschiedenen Kulturen in einem ungewohnten Umfeld funktioniert. In fast allen Belangen haben mir meine Projektmanagementfähigkeiten geholfen, systematisch zu arbeiten und klar zu kommunizieren. Oft waren es zudem meine Informatikkenntnisse (vom Wirtschaftsinformatikstudium her), die mir erlaubt haben, innovative Lösungen zu konkreten Problemen zu kreieren.

 

Wenn man ihren Lebenslauf anschaut, ist ersichtlich, dass Sie bei unterschiedlichen Unternehmen Co-Founder waren – Samui Fight Camp, Gestion Suibec, Sky Gym Samui. Haben sie sich immer als Entrepreneur gesehen? Was interessiert Sie besonders am Unternehmertum? Ist es das Mitgründen und Umsetzen von eigenen Ideen?

Schon früh in meiner Jugend habe ich mich für verschiedene Geschäftsideen begeistern lassen und unterschiedliche Projekte realisiert. Allgemein gefällt mir, eigenständig Lösungen zu Problemstellungen und Kundenbedürfnissen zu schaffen. Im Speziellen, motiviert mich der Entstehungsprozess mit seinen Herausforderungen vom Konzept bis zum operierenden Unternehmen.