Die Gegenwart nicht verpassen: Nachhaltigkeit und der Schweizerische Finanzsektor

Financial place

Die SVP und ihre Versuche die Schweiz zu verändern, verringern die Qualität der innenpolitischen Diskussionen. Diese inhaltliche Leere ist der Nährboden, auf dem internationaler Druck zum innenpolitischen Agenda-Setter wird.  

 

In der Schweiz verschwenden wir regelmässig knappe Ressourcen für Wahlkämpfe und Abstimmungen um den Status Quo zu sichern. Die SVP hat die Definitionshoheit über Themen und Debatten: Grobe Vereinfachungen und falsche Fakten gehören zum politischen Alltag. Die Gegner stellen sich in dringenden Aufrufen dagegen. Politik wird zum Akt der Dringlichkeit, um wenigstens die Grundfesten der Schweiz retten. Und dann?

Debatten über eine gemeinsame Zukunft würden sich in vernünftigen, vorausschauenden Sachpolitiken wiederspiegeln. Aber Inhalte und Qualität brauchen Zeit – das Gegenteil vom heutigen courant normal. So werden thematische Diskussionen einzig in exklusiven Clubs geführt, oder mangels Ressourcen und/oder Willen durch den internationalen Druck erzwungen. Innenpolitische Debatten werden outgesourced.

Nachhaltigkeit als internationale Top-Priorität

Das droht nun auch beim Thema Nachhaltigkeit im Finanzsektor. International geht es vorwärts. Der Chef der britischen Zentralbank Mark Carney warnte im September 2015 vor den Klimarisiken und den Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität. Kurz darauf folgte die EZB. Im Februar 2016 schuf der Financial Stability Board die Task Force on climate-related finance disclosure, und die G20 unter dem Vorsitz Chinas definierte Nachhaltigkeit im Finanzbereich als Top-Priorität. Hinzu kommen viele nationale Regulierungen und Anreizsysteme, die in letzter Zeit implementiert wurden (z.B. Frankreich). Die Schwedische und Niederländische Nationalbanken wollen Klimarisiken messen und stellen sich auf die Transition zur grünen Wirtschaft ein.

In der Schweiz publizierte das BAFU zwar einen Bericht Design of a Sustainable Financial System (Juni 2015). Der Bundesrat lehnte aber im September 2015 ein Postulat ab, das konkrete Massnahmen im Bereich Finanzen und Nachhaltigkeit gefordert hatte. Im Februar 2016 gab der Bundesrat bekannt, dass er sich in die internationalen Diskussionen aktiv einbringen will. Doch wie er es tun will, darüber gibt er wenig Aufschluss. Noch weniger ist von den Parteien zu vernehmen, ausser Schwarz-Weiss-Denken. Vorurteile herrschen vor: Rechts gilt der Finanzplatz als Allerheilmittel, links wird das Bild des gierigen Bankers gepflegt.

Schweizer Strategie statt Blindflug

Dies erstaunt, gehörten doch Schweizer Finanzdienstleister zu den Ersten, die sich für Nachhaltigkeit interessiert (zum Beispiel Inrate, RepRisk, Dow Jones Sustainability Index, RobecoSAM, etc ) und neue Produkte wie Mikrokredite angeboten hatten (zum Beispiel BlueOrchard, responsAbility, Symbiotics, etc.). Dieser Standortvorteil droht verloren zu gehen. Generell fehlt eine umfassende Strategie, ein klarer Themenkatalog, definierte Ziele, etc. Es wäre wünschenswert, dass folgende Fragen innenpolitisch diskutiert würden:

  • Welche regulatorischen oder marktorientierten Mechanismen können Investoren dazu animieren mehr, in die grüne Wirtschaft zu investieren (z.B. Finanzierung von erneuerbaren Energien, Kreislaufwirtschaft)?
  • Wie wird die Finanzmarktstabilität durch ökologische Faktoren wie Klimarisiken beeinflusst? Wie wirkt sich ein Wertverlust von Öl- und Kohlefirmen auf die Portfolios der Banken und Pensionskassen, etc. aus?
  • Wie kann die Informationstechnologie (Fintech) für mehr Nachhaltigkeit im Finanzsektor eingesetzt werden?

Die Erfahrungen mit dem Bankgeheimnis sollten der Schweiz eine Lehre sein, wie innenpolitische Inaktivität oder Diskussionsverweigerung sich negativ auswirkt. Es ginge auch anders!