Olympia 2024: Ein Schritt zum Frieden?

Die Olympischen Spiele 2024 in Paris bieten die Gelegenheit, die Welt im friedlichen Wettkampf zu vereinen. Doch können sie auch als Katalysator für einen Waffenstillstand im Ukraine-Konflikt dienen? Die Idee des olympischen Friedens wurde bereits in der Antike praktiziert. Warum nicht auch heute?

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Paris 2024: Der Startschuss für den olympischen Frieden?

Am 26. Juli 2024 ist es soweit: Die Olympischen Spiele starten in Frankreich unter dem Motto des friedlichen Wettstreits – offiziell «Citius, Altius, Fortius – Communiter» (schneller, höher, stärker – gemeinsam). Gerade in einer Zeit, in der die weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Entwicklungen eher auf Fragmentierung ausgerichtet sind, ist der Fokus auf das Gemeinsame von besonderer Bedeutung. Die Olympischen Spiele setzen hier einen Gegenentwurf; symbolisiert durch die verschlungenen Ringe, die jeden der fünf Kontinente repräsentieren. Verbunden im Wettstreit und dennoch im friedlichen Miteinander.

Olympische Spiele als Symbol des Friedens in Zeiten des Krieges

Die Olympischen Spiele in Paris sollen als Hoffnungsträger daran erinnern, was möglich wäre. Angesichts der zahlreichen Krisen unserer Zeit, wie dem Krieg in der Ukraine und den Konflikten in Syrien, Jemen, Gaza, Sudan sowie den Spannungen zwischen China und Taiwan, ist die Bedeutung des olympischen Gedankens und der Friedensförderung besonders wichtig. Diese Konflikte verdeutlichen die Dringlichkeit eines olympischen Waffenstillstands. Ein solcher Frieden könnte als Verschnaufpause dienen, um diplomatische Beziehungen zu ordnen und Gespräche sowie Verhandlungen zu ermöglichen. Warum also nicht den olympischen Waffenstillstand als Gelegenheit nutzen, um Frieden zu fördern?

Der Gedanke des olympischen Friedens hat mehr als nur symbolischen Charakter. Er wurzelt im antiken Griechenland, im Konzept der «Ekecheiria». Diese wurde eingeführt, damit Athletinnen, Athleten und ihre Familien sicher zu den Olympischen Spielen reisen und ungestört in ihre Heimat zurückkehren konnten. Auch aktuell wird über die Chance einer olympischen Waffenruhe diskutiert. Sowohl der chinesische Präsident Xi Jinping als auch der französische Präsident Emmanuel Macron unterstützen das Prinzip einer olympischen Waffenruhe. Aus dem offiziellen Moskau ist dazu bislang eher ein «njet» als ein «da» zu vernehmen. Als die Generalversammlung der UNO in einer Resolution alle Länder aufforderte, die Tradition des olympischen Friedens hochzuhalten, kritisierte Russland dies als eine politische Einmischung in den Sport und enthielt sich der Stimme.

Olympischer Frieden in der Realität

Wie sieht die Bilanz des olympischen Friedens in den letzten Jahren aus? Viele erinnern sich an die Olympischen Spiele 2008 in Peking, als die gleichzeitig gestartete russische Intervention in Georgien begann. Im März 2014, kurz nach den Winterspielen in Sotschi, startete Putin den Angriff auf die Krim. Auch 1979, wenige Monate vor den Olympischen Spielen in Moskau, marschierten sowjetische Truppen in Afghanistan ein. Diese Beispiele zeigen, dass der Geist des olympischen Waffenstillstands stets fragil war. Dennoch erscheint es im Kontext des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine unabdingbar, ihm eine neue Chance zu geben.

Ein Zeitfenster für Verhandlungen: Der olympische Frieden von Juli bis September 2024

Während der Wochen der Spiele schaut die sportbegeisterte Welt nach Paris – warum nicht auch nach Kyiv und Moskau? Die internationale Aufmerksamkeit bietet möglicherweise eine Chance, Verhandlungen zu initiieren und erste Fortschritte zur Lösung des Konflikts zu erzielen, trotz der bestehenden Gefahr des Scheiterns. Die Idee des olympischen Friedens böte die Gelegenheit zu Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland. Das Zeitfenster dieses Friedens erstreckt sich über die Olympischen Spiele sowie eine zusätzliche Woche vor der Eröffnung und nach dem Ende der Paralympics, also vom 19. Juli 2024 bis zum 15. September 2024. Warum nicht diese Chance ergreifen? Das Weltgeschehen ist nicht deterministisch vorherbestimmt. Die Staatengemeinschaft hat die Möglichkeit zu handeln. Es könnte an die Verhandlungen im Frühjahr 2022 zwischen der Ukraine und Russland anknüpfen werden. Damals war man recht nahe an einer Einigung für eine Friedenslösung.

Genau diese politischen und diplomatischen Bemühungen zur Konfliktlösung brauchen wir dringend. Der temporäre Waffenstillstand während der Spiele lässt sich für Verhandlungen nutzen. Potenzielle Friedens- und Sicherheitsmechanismen könnten in dieser Zeit diskutiert werden. Die genauen Bedingungen für diesen Waffenstillstand müssten im Vorfeld erarbeitet und festgehalten werden. Die Überwachung des Waffenstillstands während der Wochen des olympischen Friedens wäre ebenfalls zentral. Eine breit aufgestellte Sicherheitsorganisation wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) könnte ihre Erfahrung, ihr Personal und ihre Expertise einbringen, um einen solchen Waffenstillstand zu überwachen – vorausgesetzt, dass eine OSZE-Mission von beiden Seiten, der Ukraine und Russland, akzeptiert würde.

Für einen dauerhaften und gerechten Frieden ist der Wille, die Bereitschaft und die Beteiligung aller Parteien entscheidend. Russland und die Ukraine – Selenskyj und Putin müssen miteinander ins Gespräch kommen. Sie müssen eine Lösung finden und diese muss auch innenpolitisch verstanden werden. Insbesondere Europa hat ein fundamentales Interesse daran. Denn nur in Zusammenarbeit mit Russland können wir in Europa längerfristig eine stabile Sicherheitsordnung (wieder-)herstellen. Die völkerrechtswidrigen Handlungen Russlands sind zu verurteilen und zu sanktionieren, dürfen jedoch einen gleichzeitigen Dialog mit Russland nicht ausschliessen. Ziel sollte ein Kompromiss und eine gemeinsame Verständigung sein, im Interesse der Sicherheit der Ukraine, Europas und der Welt.