Von Alexander Spring und Simon Schädler – Der Rüstungshandel hat die Nebenwirkung, dass Kriegsgut immer wieder auftaucht, wo es nicht sein dürfte. Kaum ist die Berichterstattung über Schweizer Munition im libyschen Wüstensand versiegt, richtet sich das Augenmerk auf angebliche RUAG-Handgranaten in Syrien. Das SECO hat bei der Bewältigung dieser Vorkommnisse die Chance zu zeigen, welche Lehren aus der Libyen-Affäre gezogen wurden.
Die Mitteilung der Sonntagszeitung vom 1. Juli 2012, RUAG-Handgranaten vom Typ «Offensive OHG92» seien auf einem Foto der syrischen Aufständischen zu sehen, sorgte für wenig Überraschung. Das Bild, von einem Reporter in der umkämpften Ortschaft Marea geschossen, soll den Tatbeweis für die neueste Story im Schweizer Rüstungsbusiness erbringen. Wie im Libyen-Fall stellt sich die Frage, weshalb Granaten vom beschaulichen Aigle in die Kriegswirren von Nordsyrien Marea gelangen, obwohl die Schweiz seit 1998 keine Waffen mehr dorthin verkaufte. Der ursprüngliche Käufer der Schweizer Handgranaten war nach nur drei Tagen ausfindig gemacht, wie der Bund mitteilte: „Es wurden damals (A.d.R.: 2003) insgesamt 225‘162 Handgranaten an die Armee der Vereinigten Arabischen Emirate ausgeführt.“
Diese hatten für den Import der Handgranaten eine sogenannte Nichtwiederausfuhrerklärung unterzeichnet. Darin verpflichteten sie sich, die Waffen als Endabnehmer nicht weiter zu veräussern. Es liegt nahe, dass die arabische Föderation die Abmachung mit der Schweiz gebrochen hatte.
Von Libyen – zu Syrien: Wiederholt sich die Geschichte?Die Schweiz hat leidvolle Erfahrungen mit nicht eingehaltenen Nichtwiederausfuhrerklärungen. Im Fall Libyens war die Munition ursprünglich für Katar gedacht – und hätte da verbleiben sollen. Als die Causa ins Scheinwerferlicht geriet, verfügte das SECO rotes Licht für Waffenexporte in das arabische Emirat und versprach eine rasche Untersuchung der Vorkommnisse. Der Untersuchungsbericht sorgte in der interessierten Öffentlichkeit weniger für Klar- sondern vielmehr für Unsicherheit: “Militärische Logistik-Fehler” führten dazu, dass Schweizer Waffen 3500 Kilometer von Katar entfernt in Kriegseinsätzen diente. Als Folge fielen die Exportschranken nach Katar. Dieser intransparente Umgang mit der Affäre stiess auf scharfe Kritik.
Nun bahnt sich ein Déjà-vu im Dunstkreis des Syrienkonfliktes an. Doch scheint im SECO ein gewisses Umdenken stattgefunden zu haben: Kaum ging die Nachricht durch die Medien, blockierte das SECO provisorisch – die vorhandenen Indizien waren nur dünn − alle pendenten Gesuche in die Emirate. Bereits erteilte und noch ungenutzte Kontingente rief die Bundesstelle unmissverständlich zurück, der in der Schweiz ansässige Botschafter der Vereinigten Emirate wurde zur Klärung des Sachverhalts kontaktiert und in Abu Dhabi liegt der Fall auf dem Pult des Schweizer Verteidigungsattachés.
Syrien als Chance für das SECO
Mit der Syrien-Affäre erhält das SECO nun gut ein Jahr nach dem Vorfall in Libyen die Chance, diesmal für mehr Transparenz bei Kriegsmaterialexporten zu sorgen. Auffällig ist, dass der Bund mit einer Reaktion nicht auf sich warten liess – erste provisorische Massnahmen erfolgten innert kürzester Zeit. Die eigentliche Feuerprobe steht hingegen noch an: Im Jahr 2011 fungierten die Vereinigten Arabischen Emirate als führendes Importland für Schweizer Waffen. Es dürfte sich für die schweizerische Volkswirtschaft als keine angenehme Aufgabe erweisen, dem Druck eines der abnahmestärksten Vertragspartner standzuhalten und in säuberlicher Manier die Verfehlung beim Handelspartner zu eruieren.
Sollte sich der Verdacht erhärten, dass die Vereinigten Arabischen Emirate die Schweizer Nichtwiederausfuhrerklärung verletzten, würde dies einen schweren Vertragsbruch bedeuten. Die Folge wäre, dass die erst provisorischen zu ständigen Massnahmen würden. Im Klartext hiesse dies: No business anymore mit einem guten Kunden. Nur durch weitgehende und vertrauensbildende Massnahmen könnten die VAE erreichen, dass zu einem späteren Zeitpunkt wieder Waffen helvetischer Machart nach Abu Dhabi exportiert würden.
Der Schweizer Souverän und das Parlament stehen mehrheitlich hinter dem Export von Waffen. Dies zeigte die letzte gescheiterte Volksabstimmung, welche ein Verbot gefordert hätte. Eine ähnlich lautende Motion von Ex-Nationalrat Jo Lang für einen Exportstopp in arabische Staaten, erlitt im Parlament Schiffbruch. Umso mehr führt die erneute Affäre mit Handgranaten in Syrien vor Augen, welchen geringen Stellenwert Schweizer Nichtwiederausfuhrerklärungen gewisse unserer Handelspartner beimessen. Es wäre blauäugig zu glauben, ihr Einsatz verhindere die illegitime Weitergabe von Waffen. Weitaus zielführender ist es fraglos, die Kriterien des Bewilligungsregimes von Art. 5 KMV besonders streng anzuwenden.
Alexander Spring ist Assistent und Doktorand an der Universität Bern im Bereich Völkerrecht und Menschenrechte. Er leitet die foraus-AG Menschenrechte und humanitäre Politik.
Simon Schädler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Völkerrecht und ausländisches Verfassungsrecht der Universität Zürich. Er ist Mitglied der foraus-Arbeitsgruppe Völkerrecht.
Beide sind Co-Autoren der foraus-Studie „Der schweizerische Kriegsmaterialexport auf dem Prüfstand“.
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