Von Julia Imfeld – Nordkorea hat einen Atomtest durchgeführt und droht offen mit einem Angriff. Die als Reaktion erlassenen Sanktionen werden kaum Erfolg zeigen. Die Schweiz muss deshalb in der UNO-Vollversammlung eine Resolution einreichen, die mit Nachdruck die unmenschlichen Folgen von Nuklearwaffen betont und deren Besitz verbietet.
Eine Stärkung des schweizerischen Engagements im Bereich der Abrüstung und Non-Proliferation wird imBundesratsbericht von 2012 als Ziel publiziert. Bei konkreterer Betrachtung erscheint mir die Erreichung dieser Ziele – etwa die Delegitimierung von Nuklearwaffen – in näherer Zukunft eher unwahrscheinlich. Die Schweiz könnte ein stärkeres Zeichen setzen und eine Resolution in der UNO-Vollversammlung initiieren. Diese Idee wurde erstmals von Professor Harald Müller am foraus – Themenabend „Risikofaktor Nuklearwaffen“ vom 11. März 2013 in Bern lanciert. Für eine solche Initiative gibt es drei gute Gründe.
Die humanitäre Tradition der Schweiz
Die Schweiz kann in internationalen Verhandlungen von ihrem guten Ansehen, ihrer Glaubwürdigkeit und Neutralität profitieren. Wenn es um Abrüstung und Non-Proliferation geht, muss die Schweiz – um etwas erreichen zu können – aber vor allem ihre Tradition in der Verteidigung des humanitären Völkerrechts betonen.
Die unvorstellbaren menschlichen Folgen eines Nuklearwaffeneinsatzes wurden der Welt 1945 nach Abwurf zweier Atombomben in Japan bewusst gemacht. Meiner Meinung nach ist die Schweiz dank ihrer humanitären Tradition in der Lage, die internationale Gemeinschaft glaubwürdig von den menschenverachtenden Folgen einer Atombombe zu überzeugen und so einen positiven Einfluss für ein mögliches Umdenken auszuüben.
Der Sicherheitsrat muss endlich kohärent sein
Eine Resolution, die im Hinblick auf die humanitären Folgen auch einen Besitz von nuklearen Waffen verbietet, stellt den UNO-Sicherheitsrat vor eine grosse Herausforderung. Gemäss dem im Jahr 1970 in Kraft getretenen Non-Proliferation Treaty (NPT) ist es nur den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates erlaubt, Atomwaffen zu besitzen. In einem vom Internationalen Gerichtshof (IGH) 1996 erlassenen Gutachten wird festgehalten, dass zwar die Verwendung von nuklearen Waffen verboten, deren Besitz grundsätzlich jedoch erlaubt ist. Dies empfinde ich als nicht mehr zeitgemäss, da allein der Besitz von Nuklearwaffen als Bedrohung wahrgenommen werden und so Konflikte – etwa zwischen den USA und Nordkorea – schüren kann. Ein allgemeines Verbot vermag dieses Konfliktpotenzial vielleicht etwas abzuschwächen.
Spräche sich die UNO-Vollversammlung für ein Nuklearverbot aus, so wäre dies als Votum gegen den Sicherheitsrat und dessen Atomwaffenarsenale zu werten, was wahrscheinlich zu UNO-internen Konflikten führen würde. Käme es zu einer Abstimmung über eine Resolution, müssten Russland, China, die USA sowie Frankreich und Grossbritannien Farbe bekennen. Stimmen sie dafür, so delegitimieren sie automatisch ihre eigenen Nuklearwaffen. Lehnen sie die Resolution aber ab, so verlieren sie, indem sie an ihren eigenen Atomwaffen festhalten, ihre Glaubwürdigkeit im Kampf gegen Proliferation. Ausserdem würde der Sicherheitsrat gegen die Wünsche der Generalversammlung entscheiden, was ich als wenig nachhaltig erachte. Eine solche Grundsatzfrage –ob der Besitz von Nuklearwaffen legitim ist oder nicht – ist meiner Meinung nach essentiell, um der Politik der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates die seit langem nötige Kohärenz zu verleihen.
Signalwirkung einer UNO-Resolution
Die Lancierung einer UNO-Resolution gegen den Besitz von Nuklearwaffen könnte allenfalls auch für andere Länder eine Signalwirkung erzeugen. Würde sich die internationale Gemeinschaft gegen den Besitz von Atomwaffen aussprechen, so besteht die Möglichkeit, dass auch andere Länder von der Entwicklung und Besitz dieser Waffen absehen könnten. Aus der Sicht der Schweiz wäre eine aktive Rolle bei der Lancierung der Resolution wünschenswert und mit positiven Auswirkungen verbunden. Zudem würde die internationale Staatengemeinschaft ein weiteres mögliches Druckmittel gegen Länder erhalten, die eine Proliferation anstreben.
Des Weiteren könnte ein solch starkes Bekenntnis auch die Blockaden im NPT lösen. Diese treten seit Jahren regelmässig auf, wenn die Nuklearstaaten weitere Verpflichtungen für die nicht-Nuklearstaaten fordern aber gleichzeitig an ihren Arsenalen festhalten und nur wenig Abrüstung betreiben. Wenn sich auch die Atommächte gegen nukleare Waffen aussprechen, würde die Kooperation zwischen den Ländergruppen vereinfacht und das Abkommen an sich gestärkt. Eine globale Abrüstung könnte eine langfristige Folge der Resolution sein. Vielleicht würde die Initiative der Schweiz einen kleinen Beitrag zum Global Zero leisten, von welchem US-Präsident Obama träumt.
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