Von Kathrin Williner – Im Februar 2013 forderte die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerates Lockerungen der Regeln zum Export von Kriegsmaterial. Dies möglicherweise auf Druck der Kriegsmaterialindustrie, welche neue Absatzmärkte in Asien erschliessen möchte, was den Bundesrat in Bedrängnis bringt.
Gemäss dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) sind die Umsätze in den europäischen Ländern im Vergleich zum Vorjahr massiv eingebrochen. Weil die anvisierten Exportstaaten aber grösstenteils die Menschenrechte systematisch verletzen oder sich in einem bewaffneten Konflikt befinden, ist der Kriegsmaterialexport nicht ohne weiteres möglich. Wie handelt nun der Bundesrat, nachdem er in der Vergangenheit mehrmals die Kriegsmaterialverordnung verschärfte und auch strikter umsetzte? Wird er den bürgerlichen Sicherheitspolitikern folgen und das Rad wieder in die andere Richtung drehen?
Die Kehrtwende der SiK
Kürzlich beschloss die Sicherheitspolitische Kommission (SiK) des Ständerates, vom Bundesrat eine Lockerung der Regelungen des Kriegsmaterialexportes zu verlangen. Hans Hess, Präsident der SiK, bestätigte in der NZZ am Sonntag, dass ein entsprechender Brief an den Vorsteher des WBF, Johann Schneider-Ammann, unterwegs sei.
Wie lässt sich dieser Entschluss der SiK erklären? Erst im November 2012 hatte doch der Bundesrat in Erfüllung des Postulats Frick – welches feststellte, dass die Schweizer Rüstungsindustrie im Vergleich mit europäischen Exportregelungen benachteiligt sei – ihm zwar in Bezug auf die Benachteiligung Recht gegeben. Nichtsdestotrotz war der Bundesrat dennoch zur Entscheidung gelangt, dass im jetzigen Zeitpunkt eine Lockerung des Kriegsmaterialrechts kein politisch und rechtlich gangbarer Weg sei.
Asien auf dem Vormarsch
Eine mögliche Antwort darauf liegt in den Zahlen des Seco zu den Kriegsmaterialausfuhren im Jahr 2012: Im letzten Jahr wurde aus der Schweiz Kriegsmaterial für rund 700 Millionen Franken exportiert. Dies bedeutet eine Abnahme der Kriegsmaterialausfuhren um 20% gegenüber dem Vorjahr, während die Warenausfuhr des gesamten Aussenhandels um 1,7% gestiegen ist. Die grössten Geschäfte waren Lieferungen von Kriegsmaterial an Deutschland. An zweiter Stelle folgten die Arabischen Emirate mit dem Import einer Teillieferung von unbewaffneten militärischen Trainingsflugzeugen sowie weiteren Waffen und Zubehör. An fünfter und sechster Stelle der grössten Kriegsmaterialabnehmer folgten Indien und Saudi-Arabien.
Die europäischen Länder Belgien, Spanien, Norwegen, Grossbritannien, Niederlande, Dänemark und Frankreich, welche im Jahr 2011 noch die Plätze zwischen 4 und 12 belegten, wurden 2012 von den neuen grossen asiatischen Importnationen Indien, Saudi-Arabien und anderen überholt. Dies erklärt sich unter anderem damit, dass im Zuge der Wirtschaftskrise die Verteidigungsetats vieler europäischer Staaten gekürzt wurden. Diese Staaten importieren nur noch Ersatzteile, Munition und dergleichen und verschaffen der schweizerischen Kriegsmaterialindustrie keine neuen grossen Aufträge mehr. Diese ist aber für ihr Weiterbestehen auf grosse Aufträge angewiesen. Folglich sucht sie sich neue Exportmärkte und wird in Asien fündig: Indien zum Beispiel wird in den folgenden 10 Jahren gut 100 Milliarden Dollar in seine Aufrüstung investieren. Die Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Katar sind ebenfalls dabei, sich rüstungstechnisch auf den neuesten Stand zu bringen und gelten als wachsende Absatzmärkte. Diese lukrativen Geschäftsmöglichkeiten möchte sich die schweizerische Kriegsmaterialindustrie natürlich nicht entgehen lassen.
Wachstumsmärkte und Krisenregionen
In diese neuen Absatzmärkte ist es aber nicht ohne weiteres möglich, Kriegsmaterial zu exportieren. Denn diese militärisch aufstrebenden Staaten wären zwar wohlhabende Kunden, doch mit der geltenden schweizerischen Rechtslage ist es grundsätzlich ausgeschlossen, in Bestimmungsländer Kriegsmaterial zu exportieren, welche beispielsweise „Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen“ oder „in einen internen oder internationalen Konflikt verwickelt sind“. In vielen der neuen Exportländer werden Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt; so zum Beispiel in Saudi-Arabien, wo unter anderem die Rechte der Frauen und religiöser Minderheiten aufs Schwerste missachtet werden. Indien, als weiterer heftig umworbener Exportmarkt, steht seit gut 50 Jahren in einem bewaffneten Konflikt mit Pakistan.
Der Druck der Waffenindustrie, trotz der geltenden Rechtslage Wege zu finden, um in solche Länder Kriegsmaterial exportieren zu können, nimmt jedoch zu. Bis jetzt haben der Bundesrat und die weiteren zuständigen Stellen diesem jedoch widerstanden: Im Januar 2013, als ein Gesuch um eine Exportbewilligung für Pistolenteile via USA an den Endempfänger Saudi-Arabien dem Bundesrat vorlag, hielt dieser dem grossen wirtschaftlichem Druck stand und verbot den Export gestützt auf Art. 5 der Kriegsmaterialverordnung wegen der prekären Menschenrechtslage in Saudi-Arabien. Das Exportgesuch wurde von einem Schreiben mehrerer Wirtschaftsverbände begleitet, mit der Aufforderung, das Geschäft zu bewilligen. Nun hat sich der Druck der Wirtschaft offenbar nochmals verstärkt und dazu geführt, dass die bürgerlich geprägte und wirtschaftsfreundliche SiK des Ständerates auf politischem Weg versucht, die relativ strengen Regelungen aufzuweichen, damit künftig auch in problematische Länder Kriegsmaterial exportiert werden darf.
Markt oder Vorbild?
Es bleibt also zu hoffen, dass die zuständigen Departemente und deren Vorsteher dem grossen wirtschaftlichen und politischen Druck widerstehen und auch in Zukunft bei ihrem heutigen Standpunkt bleiben, dass eine Lockerung der schweizerischen Kriegsmaterialexportgesetzgebung nicht möglich sei. Denn diese Haltung widerspiegelt die werteorientierte Aussenpolitik, zu welcher sich die Schweiz bekennt. Weiter kommt die Schweiz damit ihrer besonderen Verantwortung als Depositarin der Genfer Konventionen nach, indem sie mit einer strengen Gesetzgebung zur Handhabung von Kriegsmaterialexporten eine Signalwirkung an die internationale Gemeinschaft aussendet.
Kathrin Williner, MLaw, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für öffentliches Recht der Universität Bern.
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