Am Wochenende hat die UN-Generalversammlung die neue Agenda der nachhaltigen Entwicklungsziele abgesegnet. In 17 Handlungsfeldern sollen bis 2030 grundlegende Transformationen realisiert werden, die der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen von Nachhaltigkeit dauerhaft Rechnung tragen und die Lebensbedingungen der Menschen innerhalb der ökologischen Grenzen des Planeten massiv verbessern sollen. Kein Land kann der Anforderung, den Pfad in Richtung Nachhaltigkeit konsequent zu gehen, ausweichen. Der Beschluss legt auch die Überwachung und politische Rechenschaftslegung fest.
Gegen Armut vorzugehen bringt ethische Pluspunkte und ist deshalb bei Staaten relativ populär. Anders ist es bei der Bekämpfung von Ungleichheit. Mittlerweile haben bei der weltweiten Einkommensverteilung 1,75 Prozent der weltweiten Spitzenverdiener ein Einkommen angehäuft, das das Gesamteinkommen der unteren 77 Prozent übersteigt. Die Frage nach sozialer Fairness ist also mehr als berechtigt. Hier macht die Agenda der nachhaltigen Entwicklungsziele einen grossen Sprung vorwärts, indem sie das Thema Ungleichheit in den Mittelpunk rückt. Ungleichheit ist in die einzelnen Ziele eingebaut. Ein Ziel ist nur dann erreicht, wenn es nicht nur von den Reichsten, sondern auch von den Ärmsten und den sozial Benachteiligten erlangt wird. Niemandem soll der Zugang zu Bildungssystem, Arbeitsmarkt oder Gesundheitssystem aufgrund von sozialer Herkunft, Geschlecht, Rasse, Religion und Ähnlichem eingeschränkt werden.
Der Appell „Leave no one behind“ ist in griffige Politik zu übersetzen. Ein „Weiter-so-wie-bisher“ würde bedeuten, dass zum Beispiel im Jahr 2030 weiterhin drei bis vier Millionen Kinder nach der Geburt sterben würden und in Südasien und Subsahara-Afrika die Mortalität von Kindern in den ärmsten Familien weiterhin zwei- bis dreimal mal höher wäre als in den reichsten Haushalten. Regierungen sind gefordert, die massiven Unterschiede im Zugang zu pränataler Untersuchung und Geburtshilfe zu schliessen, die Ungleichheit für marginalisierte Kinder, die ein erhöhtes Risiko für tödliche Krankheiten (zum Beispiel Lungenentzündung) beim Zugang zum Gesundheitssystem aufweisen, anzugehen, sowie auch die Geschlechterungleichheit, die viele Mädchen zu einer frühen Heirat zwingt und Frauen das Recht auf reproduktive Gesundheit verweigert.
Stark wachsende Ungleichheiten bremsen die Armutsreduktion. In vielen Ländern in Subsahara-Afrika konzentriert zum Beispiel eine starke Ungleichheit die Vorteile wachsender Wohlfahrt in den Taschen der reichen Elite. Regierungen sind gefordert, die „Verpflichtungen“ der nachhaltigen Entwicklungsziele in die öffentliche Ausgaben-Politik zu übersetzen und die zahlreichen Barrieren für benachteiligte Kinder aufzubrechen. Die ambitiösen Ziele sind in kurzfristige Gerechtigkeitsziele zu übersetzen. Dazu gehört auch, dass das „business-as-usual“-Muster bei der Finanzierung und im Erbringen der Dienstleistungen in Gesundheit und Bildung umgekehrt wird.
Die neue Agenda umfasst Ziele wie Gleichberechtigung der Geschlechter, Rechtsstaatlichkeit, Ungleichheit innerhalb und zwischen den Staaten sowie auch den Schutz der Ökosysteme zu Wasser und zu Lande. Ohne die Vermeidung wesentlicher Veränderungen in lokalen und globalen Ökosystemen lassen sich die Fortschritte bei der Armutsbekämpfung kaum sichern und erweitern.
Globale Umweltveränderungen hängen mit den Produktions- und Konsummuster der heutigen Wohlstandsgesellschaften zusammen. Die nachhaltigen Entwicklungsziele sind ein Hebel zur langfristigen Krisenvorsorge und eine Anleitung für Zukunftsfähigkeit. Sie müssen aber reale Politik werden. Auch in der Schweiz sind politische Konfrontationen mit machtvollen Beziehungen und eigennützigen Interessen unvermeidlich, wenn die notwendige Transformation in Richtung Nachhaltigkeit vorankommen soll.