Die Arena vom 11. Oktober hat mal wieder gezeigt: Die falsche Schlussfolgerung, dass Entwicklungszusammenarbeit eine Lösung ist um Migration zu verhindern, hält sich leider hartnäckig.
Sehr geehrte Damen und Herren *
Am 11.Oktober haben Sie in der Arena zum Thema “Flüchtlingsdrama Lampedusa: Was tun?” über die Ursachen der Migration in Richtung Europa diskutiert. Dabei wurde gute Entwicklungszusammenarbeit als Lösungsansatz genannt und während einer halben Stunde diskutiert. Dabei ist die Schlussfolgerung, dass Entwicklungszusammenarbeit ein geeignetes Mittel ist, um Migration zu verhindern, wissenschaftlich widerlegt (für die Literaturangaben verweisen wir auf das foraus-Diskussionspapier im Anhang). Um die ständige Wiederholung von solch tragischen Ereignissen wie jüngst in Lampedusa zu verhindern, gibt es geeignetere Massnahmen als Entwicklungszusammenarbeit.
In der Arena-Diskussion wurden zu Recht die hohen Preise erwähnt, welche Schlepperbanden für eine Flucht verlangen. Diese Feststellung macht deutlich, dass eine Überfahrt von einer Mehrheit aller Migranten niemals bezahlt werden könnte. Die Ärmsten der Armen können sich folglich eine Flucht nach Europa gar nicht leisten. Diese Flüchtlinge migrieren daher – wie von Frau Park erwähnt – in Nachbarprovinzen, in die grossen Städte ihres Landes oder in Nachbarländer.
Entwicklungszusammenarbeit soll die Lebensbedingungen und Perspektiven der Ärmsten verbessern. Sie zielt darauf ab, die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und den Ärmsten zu helfen, sei es direkt durch Gesundheits- und Ausbildungsprogramme oder indirekt durch Investitionsprojekte, Marktentwicklung, Massnahmen zur Korruptionsbekämpfung und Förderung der guten Regierungsführung. Erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit hätte somit zur Folge, dass arme Menschen über mehr Ressourcen verfügen. Dadurch wird für sie eine Überfahrt nach Europa überhaupt erst eine finanzierbare Option. Erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit führt also zunächst dazu, dass mehr Menschen migrieren können und dadurch die eigenen Lebensperspektiven und diejenigen der Familie zu verbessern. Erst sehr langfristig – wenn die unterstützten Entwicklungsländer zu prosperierenden Schwellenländern werden und die Perspektiven im Heimatland attraktiv und stabil sind – wird die Emigration abnehmen. Zudem erhöht eine Entwicklung der Herkunftsstaaten die internationale Sicherheit und den wirtschaftlichen Austausch. Langfristig ist es daher im Interesse der Schweiz und Europas, dass die afrikanischen Länder nicht arm und korrupt bleiben.
Trotz der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass der Zusammenhang zwischen Migration und Entwicklung nur sehr langfristig und indirekt besteht, wurde über eine halbe Stunde über Entwicklungszusammenarbeit als Lösungsansatz diskutiert. Entwicklungszusammenarbeit wird eine Wiederholung solcher Flüchtlingsdramen jedoch genauso wenig verhindern können wie Repression und Überwachung. Damit die Mittelmeer-Dramen Vergangenheit werden, müssen legale Perspektiven zur Migration eröffnet werden. Denn der wahre Grund für die stetige Wiederholung solcher Dramen liegt in der Tatsache, dass kaum legale Möglichkeiten zur Migration existieren.
Eine ausführlichere Argumentation finden Sie im foraus-Diskussionspapier “Verhindert wirtschaftliche Entwicklung Migration?” Für Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung und freuen uns über Rückmeldungen.
Freundliche Grüsse
* Dieser Brief wurde an folgende Personen versandt : Yvette Estermann, Doris Fiala, Thomas Kessler, Geri Müller, Susin Park, Gerhard Pfister, Silvia Schenker, Thomas Weibel, Urs Wiedmer, Jenke von Wilmsdorff, René Zeyer