Aussenpolitik-Briefing: IZA & nachhaltige Entwicklung

Inmitten des Wahlherbsts 2023 lancieren wir eine Serie von prägnanten Aussenpolitik-Briefings. In den 14 themenspezifischen Briefings reflektieren 23 Autor:innen die Vielfalt der aussenpolitischen Herausforderungen, die einerseits die Parlamentarier:innen die letzten vier Jahre beschäftigten und andererseits die politische Agenda in naher und mittlerer Zukunft bestimmen werden. Bis zu den nationalen Wahlen am 22. Oktober publizieren wir die Aussenpolitik-Briefings auch als Blogserie.

Executive Summary 

– Das Budget für die internationale Zusammenarbeit (IZA) liegt unter dem selbstgewählten Zielwert von 0,7% des BNE.

– Eine entwicklungsorientierte Definition der ADP, insbesondere die Entkopplung von den Kosten des Asylwesens in der Schweiz, würde das IZA Budget für die tatsächliche Zusammenarbeit stärken.

– Die Strategie 2025-2028 ist effektiv, wenn die Finanzmittel, die Wirkungsmessung und die Zusammenarbeit mit der lokalen Zivilgesellschaft gestärkt werden.

– Der Rohstoffsektor der Schweiz wirft Fragen zu Transparenz und Korruptionsrisiken auf.

 

Rückblick

Die internationale Zusammenarbeit (IZA) der Schweiz hat sich in der letzten Legislaturperiode an den Botschaften zur IZA der Schweiz 2017-2020 und 2021-2024 orientiert. Sie hat dabei einige Erfolge vorzuweisen. 

Beispielsweise nimmt die Schweizer IZA bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens eine Vorreiterrolle ein und gehört zu einem der ersten Länder, die bilaterale Abkommen mit Fokus auf Klimaschutzziele ausgehandelt und entsprechende Projekte genehmigt haben.

 

Weiter setzt die Schweiz in ihrer IZA stark auf die Zusammenarbeit mit der (inländischen) Zivilgesellschaft. So gingen beispielsweise 2020 40% der bilateralen öffentlichen Entwicklungshilfe (ADP) an zivilgesellschaftliche Organisationen (CSO) – ein Wert, welcher über dem Durchschnitt (15%) des Development Assistance Committees (DAC) der OECD lag.

Die Schweizer IZA kämpft aber gleichzeitig mit anhaltenden strukturellen Problemen. 

Ein wichtiger Punkt ist das IZA-Budget. So beliefen sich die Schweizer ADP-Ausgaben in den letzten vier Jahren durchschnittlich auf 3.569 Milliarden CHF. Damit liegen sie im Schnitt unter den 0,5% des vom Parlament für die ADP gewünschten Bruttonationaleinkommens (BNEs) und klar unter dem von der UNO festgelegten und der Schweiz anerkannten Zielwert der ADP von 0,7% des BNEs. Zudem rechnet die Schweiz in die ADP jeweils auch die im Inland anfallenden Asylkosten mit ein. So kam die letztjährige Überschreitung der ADP Quote von 0.5% nur aufgrund der steigenden Asylkosten zustande – der Anteil an bi- und multilateraler IZA ging im Vergleich zu 2021 sogar zurück und belief sich nur auf 0.4% des BNEs. Auch konzentrierte sich die Zusammenarbeit mit der CSO auf Geberländer oder internationale CSO. 2021 betrug der Anteil der Zusammenarbeit mit CSO aus Ländern mit niedrigem Einkommen lediglich etwa 15%. Schliesslich lag der Fokus auf der Rechenschaftsablegung statt auf einer umfassenden Wirkungsmessung der Schweizer IZA-Projekte.

Ausblick

Zu Beginn der neuen Legislatur wird dem Parlament die Strategie IZA 2025-2028 vorgelegt. Die folgenden Kernthemen sollten in der Strategie berücksichtigt werden und sind für deren Erfolg von besonderer Bedeutung.

Die Welt sieht sich mit multiplen, sich überlappenden und teils systemischen Krisen konfrontiert. Um ihrem Auftrag (Art. 54 Abs. 2 BV) nachzukommen, muss die Schweiz Finanzmittel aufbringen.

Erstens ist die Höhe des ADP-Budgets den eigenen Zielen (0.5%-0.7% BNE) und den globalen Herausforderungen anzupassen. Luxemburg (1%), Schweden (0.9%) oder Deutschland (0.83%) zeigen, dass eine ADP-Quote von mehr als 0.7% des BNEs möglich ist. Eine höhere Quote wünschen sich auch mehr als die Hälfte der befragten Schweizerinnen und Schweizer in einer repräsentativen ETH-Studie

Zweitens gilt es darauf zu achten, dass die Definition der APD auf die internationale Zusammenarbeit ausgerichtet bleibt. Die Schweiz könnte sich international als “thought-leader” dafür einsetzen, dass Asylbetreuungskosten im Rahmen der OECD DAC nicht der APD-Quote angerechnet werden. So würden diese von der internationalen Zusammenarbeit entkoppelt. In eine ähnliche Richtung gehen Österreich und Deutschland bereits heute. 

Drittens ist zu beachten, dass die Verteilung der IZA-Gelder über die Empfängerländer so strukturiert wird, dass eine dringliche Steigerung der humanitären Hilfe in einem Land nicht die Hilfe für andere Fokus-Ländern reduziert (z.B. die 1.5 Milliarden für die Ukraine). Insbesondere da die geplante Erhöhung der ADP in der nächsten Strategieperiode um nur 2.5% bei einer Inflation von 2.8% allein im Jahr 2022 einer tatsächlichen (realen) Reduktion der APD gleichkommt. 

Neben den Finanzmitteln ist die konsequente Wirkungsmessung für die effiziente und effektive Steuerung der IZA Strategie 2025-2028 essenziell.
Die nächsten Jahre werden zeigen, ob mit dem bis zum Jahresende einzuführenden digitalen results based management System tatsächlich die relevanten Daten erhoben und zweckdienlich ausgewertet werden. Andere DAC-Mitglieder, zum Beispiel die EU und die Niederlande, nutzen zunehmend Folgenabschätzungen, um die Auswirkungen politischer Initiativen auf Länder mit niedrigem Einkommen zu ermitteln. Letztlich ist es für die gesellschaftliche Unterstützung der Schweizer IZA wichtig, mehr Transparenz zu schaffen und die Ziele, Kennzahlen und Fortschritte öffentlich zu machen – so wie das Schweden generell und die schwedische IZA (SIDA) tut.

Darüber hinaus ist es für eine effektive Umsetzung der IZA wichtig, mit lokalen CSO in den Partnerländern zusammenzuarbeiten. Die Schweiz nutzt Partnerschaften mit CSO in Partnerländern vor allem für die Umsetzung von der DEZA festgelegten Projekte in Zusammenarbeit mit Schweizer CSO. Lokale CSO werden dabei überwiegend in die Implementierung einbezogen und nur selten als eigenständige Akteurinnen anerkannt. Erfahrungen anderer DAC-Mitglieder zeigen, dass ein klarer Fokus auf eine begrenzte Anzahl von Partnerschaften mit lokalen CSOs ein effektiver Ansatz ist, um die Zivilgesellschaft vor Ort zu stärken. Die SIDA nutzt hierfür einen programmorientierten Ansatz mit drei CSO-Partnern.

Schliesslich ist die Rolle der Schweiz als wichtiger Rohstoffhandelsplatz zu beachten. Die mangelnde Transparenz in der Schweizer Rohstoffbranche und der Umgang mit den Sanktionen gegen Russland ist problematisch und wird im Ausland kritisch gesehen. Studien der OECD zeigen, dass der Rohstoffsektor besonders korruptionsanfällig ist, wodurch die Bevölkerung vom Rohstoffreichtum im eigenen Land nicht profitiert. Obwohl der Bundesrat die Risiken anerkannt hat, wurden bisher noch keine konkreten Massnahmen ergriffen. Ebenfalls wurden Vorstösse (bspw. 13.3365 und 22.3133) zur Datenerhebung über den Rohstoffhandel abgelehnt. Es fehlen insbesondere Daten über den Rohstoffhandel von Schweizer Grosskonzernen in Russland seit Beginn der Sanktionen. Dadurch könnten Reputationsrisiken für die Schweiz entstehen.