Das globale Ringen um die Friedensvermittlung: Die Schweiz im Vergleich mit den Golfstaaten

Das internationale Feld von politischer Vermittlung scheint dynamischer und diverser denn je. Dies zeigt nicht nur die wachsende Zahl an neuen Akteuren und Key-Playerinnen, sondern auch die unterschiedlichen Interessen, die Staaten dazu treiben, eine aktive Mediationsrolle einzunehmen. Wie steht die Schweizer Aussenpolitik in diesem Bereich (siehe dazu Teil 1 dieser Blogreihe ) im Vergleich zu Staaten wie Saudi-Arabien oder Katar da? Und wie könnte sich die Rolle der Schweiz als zeitgenössische und relevante Mediatorin für die kommenden Jahre gestalten? 

Peace & Security

Spätestens seit Wolodymyr Selenskyjs zweitem Besuch in Riad innert kurzer Zeit sind Saudi-Arabiens Mediationsambitionen auf der internationalen Bühne kein Novum mehr. Selbiges lässt sich bezüglich weiterer Golfstaaten wie Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) feststellen, die insbesondere im aktuellen Gaza-Krieg eine wichtige Rolle in Verhandlungen spielen. Einerseits liegt es auf der Hand, dass Staaten, die in geographischer Nähe zu Konflikten und Kriegen liegen und somit stark betroffen sind, eine wichtige Rolle bei Friedensmediationen oder Verhandlungen einnehmen. Dies war beispielsweise beim Getreideabkommen zwischen der Ukraine und Russland der Fall, das von der Türkei koordiniert wurde. Andererseits führt die Globalisierung von Konflikten und Kriegen auch zu einer Globalisierung von Mediationsakteuren.

Besteht nun die Gefahr, dass traditionelle Mediationsakteurinnen wie die Schweiz an Relevanz einbüssen? Ein näherer Vergleich der jeweiligen Strategien und Motivationen der Golfstaaten und der Schweiz zeigt: eher nein. Vielmehr ermöglicht diese Neuordnung auf der internationalen Mediationsbühne der Schweiz, ihre Relevanz durch eine klare und transparente Strategie zu stärken.

Eine Strategie, die sich bewährt

Mit ihrer historisch verankerten humanitären Tradition und ihrem Ruf als unvoreingenommene Vermittlerin gehört die Schweiz zu den Staaten, die im 20. Jahrhundert zu den prominenten Akteuren in diplomatischen Verhandlungen oder als Gastgeberin für Friedenskonferenzen zählten. Auch in aktuellen Konflikten und Kriegen soll die Schweiz diese Rolle weiter übernehmen. Allerdings steht die Erneuerung des Gaststaatgesetzes für 2024 und 2025, das für die Stärkung der Schweizer Rolle als Gaststaat nötig ist, seit 2023 aus.

Zu den kürzlichen Erfolgen der Strategie des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) zählen nebst der Durchführung der Bürgenstock-Konferenz auch die Friedensgespräche zum Krieg im Sudan. Dass diese Gespräche auf Wunsch der USA im August in der Schweiz stattfanden, ist bemerkenswert, denn die Friedensverhandlungen waren ursprünglich in Saudi-Arabien vorgesehen.

Im letzten November fanden in der saudischen Hafenstadt Jeddah Verhandlungen für eine Waffenruhe zwischen den beiden Kriegsparteien, der sogenannten Rapid Support Force (RSF) und der sudanesischen Armee statt. Der Waffenstillstand hielt jedoch nicht lange. Dies lag auch daran, dass Saudi-Arabien den sudanesischen Armeechef Abdelfattah al-Burhan finanziell unterstützt. Im Gegenzug werden die rebellischen RSF von den VAE gestützt. Der andauernde Konflikt führte zu einer grossen Hungersnot und humanitären Katastrophe. Die Verschiebung der Verhandlungen in die Schweiz legt nahe, dass sich das schweizerische Modell weiterhin bewährt.

Gaststaatspolitik als Business?

Worin liegen also die Unterschiede zwischen den Mediationsmodellen der Schweiz und jenen der Golfstaaten? Und wie kann die Schweiz ihr Modell weiterhin attraktiv halten? Staaten pflegen Mediationsambitionen grösstenteils aus Eigeninteresse. Dies trifft sowohl auf die neuen als auch auf die traditionellen Akteure zu. Jedoch lässt sich besonders bei Golfstaaten vermehrt beobachten, dass Mediationspolitik eher auf business-strategischen als auf humanitären Grundsätzen basiert. Beispielsweise macht Saudi-Arabien in seiner Vision 2030 keinen Hehl daraus, dass der saudische Standort für politische Verhandlungen zur Diversifizierung des Erdöl-basierten Wirtschaftssektors dienen soll. Auch die Entstehung von globalen Business-Hubs im Golf bedingt eine stabile politische Lage in der gesamten MENA-Region und gilt daher als weiterer Grund zur Mediationsförderung. Dabei stehen die verschiedenen Golfstaaten in direkter Konkurrenz zueinander, die nicht selten in diplomatische Krisen eskaliert.

Auf humanitäre und demokratische Grundwerte bauen

Natürlich dienen die Guten Dienste auch den Eigeninteressen der Schweiz und werden in diesem Zusammenhang auch in der Verfassung erwähnt. Vor dem oben genannten Hintergrund hat die Schweiz aber den Vorteil, auf eine demokratisch gestützte Aussenpolitik zurückblicken zu können, die auf humanitären Werten basiert. Das heisst aber nicht, dass sie für ihre zukünftige Strategie nichts von den neuen Staatsakteuren lernen kann: Durch eine klare Positionierung, zu der auch das Ausarbeiten eines klaren Neutralitätsprinzips gehört, kann die Schweiz weiterhin eine wichtige Rolle spielen, zum Beispiel in der MENA-Region. Denn das internationale Feld politischer Mediation wird sich auf absehbare Zeit nicht stabilisieren, und droht im Falle einer Trump-Wahl oder weiterer militärischer Eskalationen in der MENA-Region komplett neu gemischt zu werden.