Gender Diversität in der Politik: Sind die Schweiz und Serbien gleich auf?

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Am Mittwoch wählt das Schweizer Parlament einen neuen Bundesrat oder eine neue Bundesrätin. In der Schweiz wird darüber diskutiert, ob es wichtiger ist, einer weiblichen oder tessiner Vertretung den Sitz von Didier Burkhalter zu überlassen. Serbien hingegen hat den Ministerpräsidentenposten nicht nur zum ersten Mal mit einer Frau, sondern sogar mit einer bekennenden Lesbe besetzt. Und das, obwohl die orthodoxe Kirche im Land gegen homosexuelle Personen hetzt und sie zum Beispiel für Umweltkatastrophen verantwortlich macht. Welche Kontroversen würde wohl eine LGBTIQ-Person[1] im Schweizer Bundesrat auslösen?

Konservative Politiker*innen und die orthodoxe Kirche sind empört, ab der Wahl von Ana Brnabic als Serbiens neue Ministerpräsidentin. Laut Umfragen, glaubt noch immer fast 50% der Bevölkerung, dass Homosexualität eine Krankheit ist. Trotz starker Vorbehalte seitens Politiker*innen, entschied sich der neue serbische Staatspräsident Aleksandar Vucic für die Wahl Brnabics.

LGBTIQ-Anliegen sind in der Schweiz mehrheitsfähig

In der Schweiz wirkt der gesellschaftliche Diskurs gegenüber LGBTIQ-Personen offener. Die gleichgeschlechtliche Doppelhochzeit der Stadtpräsidentin Corine Mauch und des Zürcher Stadtrats André Odermatt 2014, sorgte zwar für Schlagzeilen in der schweizer Boulevardpresse, politisch war sie aber kaum Thema. Mit Markus Hungerbühler (CVP), könnte der erste homosexuelle Vater, dessen Kind von einer Leihmutter ausgetragen wurde, Zürcher Stadtrat werden. Sogar die konservative SVP hat mit Hans-Ueli Vogt einen geouteten Politiker an ihrer Spitze. Alle grossen politischen schweizer Parteien befürworten, mit einer Ausnahme, die Stiefkindsadoption. Und mit der Annahme der «Ehe für Alle» in Deutschland, könnte sich diese bald auch in der Schweiz durchsetzen.

Die Verabschiedung der Stiefkindadoption für homosexuelle Paare durch das Schweizer Parlament 2016 zeigt, dass gewisse Anliegen der LGBTIQ-Communities mehrheitsfähig sind. Laut einer Umfrage von Pink Cross, unterstützt das Volk die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare (69%) sowie die Erweiterung des Antirassismusartikels auf Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität (86%). Gesellschaftliche Kontroversen gibt es allerdings bei der Asylgewährung, wegen Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung und Themen, welche die traditionelle Familienstruktur «gefährden», wie volle Adoptionsrechte für gleichgeschlechtliche Paare und Leihmutterschaft.

Diskrepanz zwischen Image und Realität

Berücksichtigt man hingegen die Rechtslage von LGBTIQ-Personen, trügt das Bild einer liberalen Schweiz. Gemäss der NGO ILGA-Europe liegt die Schweiz, hinsichtlich der Menschenrechtslage von LGBTIQ-Personen, auf Platz 26 von 49 europäischen Ländern – gerade mal zwei Plätze vor Serbien. Als problematisch gilt einerseits, dass homosexuellen Paaren die Ehe und die damit verbundene Adoption von nicht-leiblichen Kindern verwehrt bleibt. Als weiterer Punkt hinzu kommen die eingeschränkten Möglichkeiten eines medizinischen und rechtlichen Geschlechtswechsels von Transpersonen, sowie ein fehlender Rechtsschutz gegen Hassverbrechen aufgrund von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität und/oder Geschlechtsmerkmalen. Zudem werden Intersex-Kinder in den meisten Fällen, noch immer geschlechtsanpassenden Genitaloperationen unterzogen; eine Menschenrechtsverletzung, für welche die Schweiz vom UN-Kinderrechtskomitee verurteilt wurde.

Inklusive Politik für alle LGBTIQ-Personen – auch für Trans- und Intersex-Personen

In der Schweiz werden Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität und Geschlechtsmerkmale, zwar noch immer ausgegrenzt, verlieren ihren Job oder machen Gewalterfahrungen. Auch sind LGBTIQ-Personen überproportional von Depressionen, Suizidversuchen und Arbeitslosigkeit betroffen. Ein wachsender Anteil der Schweizer Bevölkerung akzeptiert sie hingegen als Teil als der Gesellschaft, und vor allem Homosexualität erregt zunehmend weniger Aufsehen.

Während ein*e homosexuelle*r Bundesrat*in heute nicht mehr undenkbar wäre, bleiben Transpersonen und (geoutete) Intersex-Personen in der schweizer Politiklandschaft weitgehend unsichtbar. Die Wahl Ana Brnabics zeigt, dass politische Führungspersönlichkeiten einen Diskurs in der Gesellschaft anregen. Bestenfalls führt dies zu steigender Akzeptanz homosexueller Personen in Serbien.  Den gleichen Effekt könnte die Wahl einer Transperson in eine politische Führungsposition in der Schweiz haben. Doch derzeit werden diese im rechtlichen und medizinischen Diskurs immer noch pathologisiert und als «geistig krank» dargestellt.

[1] LGBTIQ steht für lesbisch, gay (schwul), bisexuell, transgender, intersex und queer.