Von Dominik Elser – Der Bundesrat will überraschend den Steuerstreit mit den USA per dringlichem Bundesgesetz noch in der Sommersession lösen. Die Parteien stellen sich quer und drohen so in verantwortungsloser Weise die Existenz weiterer Banken zu gefährden.
Der Bundesrat hat letzte Woche einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der seiner Bezeichnung nach die “Bereinigung des Steuerstreits der Schweizer Banken mit den Vereinigten Staaten” erleichtern soll. Das Gesetz ermächtigt die Banken, mit den USA zu kooperieren. Zur Lösung des Steuerstreits sollen nun statt des lange anvisierten Staatsvertrags koordinierte unilaterale Akte zur Anwendung kommen. Die Schweiz schafft eine Rechtsgrundlage für die geforderten Datenübermittlungen und die USA paktieren mit den betroffenen Banken. Die Schweizer Seite der Lösung bedarf der parlamentarischen Zustimmung. Der Bundesrat pocht auf eine gesetzliche Lösung. (In dieser Frage haben sich anscheinend Bundesrätin Widmer-Schlumpf und der abtretende Staatssekretär Michael Ambühl zerstritten.)
Das Parlament kommt in die Pflicht – und das ist gut so
Im Herbst wollen die USA weitere Banken anklagen, falls keine Datenübermittlungen erfolgen. Das Parlament müsste dem dringlichen Gesetz noch in der Junisession zustimmen. Alle Parteien ausser der BDP wollten den Entwurf ursprünglich ablehnen. Die SP will auf den Automatischen Informationsaustausch warten, die FDP dem Bundesrat die politische Verantwortung überlassen, die SVP stört sich an der Dringlichkeit, die anderen wollten mehr wissen, waren aber schon mal tendenziell dagegen. Ist der einhellige Widerstand gerechtfertigt? Will sich der Bundesrat mit einer schlechten Lösung aus der Verantwortung ziehen. Keineswegs! Der Vorschlag ist besser als zu befürchten war und die Parteien müssen dies einsehen, um eine Katastrophe abzuwenden.
Mit Bundesgesetzlösung kann die Schweiz ihr rechtsstaatliches und demokratisches Gesicht wahren
Das vorgelegte Bundesgesetz ist zunächst eine prozessuale Errungenschaft. Die Verantwortung liegt am richtigen Ort: Die Banken müssen selbst für ihre vergangenen Sünden einstehen und in eigener Verantwortung abwägen, ob sie mit der US-Justiz kooperieren wollen. Wer den Ball an die Regierung zurückgeben will, verkennt, dass eine aussenpolitische Staatsvertragslösung verfehlt wäre. Der Schweiz steht es nicht an, auf Staatsebene das Strafmass auszuhandeln.
Eine weitere Stärke des Vorschlags ist, dass die Politik mitreden kann und dem Datenaustausch politische Legitimität verleihen kann. Es öffnet sich ein beschränktes Zeitfenster, um den Banken innenpolitische Rückendeckung zu geben. Sicher, ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren mit mehr Entscheidungsfreiheit wäre wünschbar gewesen. Aber wer die US-amerikanische Justiz einmal erzürnt hat, sieht sich einer anderen Realität gegenüber.
“Lex USA” schützt betroffene Personen und verhindert übermässige Eingeständnisse
In materieller Sicht bietet das Gesetz zwei Vorzüge: Bezüglich Kundendaten finden keine weiteren Eingeständnisse statt. Die Schweiz konnte die USA auf geltendes Amtshilferecht (Doppelbesteuerungsabkommen) verpflichten. Dort stehen die USA im Zugzwang: eine Revision von 2009, die Gruppengesuche und Amtshilfe bei Steuerhinterziehung vorsieht, wird im US-Senat blockiert.
Zweitens schützt das Gesetz die Rechte von Bankmitarbeitenden und Dritten, deren Daten an die US-Justiz übermittelt werden sollen. Die Banken müssen – unter Strafandrohung – mit den Personalverbänden Vereinbarungen schliessen, die Informationspflichten, Anwaltskostenübernahme, Härtefallregelungen und Kündigungsschutz festschreiben. Dass diese Daten herausgegeben werden müssen, konnte nicht verhindert werden. Im Gegensatz zu einer Staatsvertragslösung können auf diesem Weg immerhin begleitende Schutzbestimmungen errichtet werden. Ohne gesetzliche Grundlage könnte ausserdem das Datenschutzrecht verletzt sein, weshalb die Datenherausgabe auf dem Gerichtsweg gestoppt werden könnte.
Einige Parteien bemängeln, es werde blind entschieden, weil das US-Justizdepartement den Inhalt der Strafaufschub-Deals noch nicht bekannt geben wolle. Das ist ein seltsamer Einwand: diese Deals müssen einzeln zwischen den Banken und der US-Justiz ausgehandelt werden. Sie sind richtigerweise nicht formeller Bestandteil des politischen Beschlusses.
Was passiert, wenn das Parlament Nein sagt?
Das Parlament sollte dem Gesetz also zustimmen. Nur auf diese Weise ist die Verantwortung dort wo sie hingehört: bei den Banken. Und nur auf diese Weise können weitere Klagen sicher verhindert werden. Das Justice Department hat seit letztem Herbst die Verhandlungsführung inne und kann somit diplomatische Fortschritte und Klageerhebung verknüpfen.
Es bleibt keine Zeit mehr, auf anderem Weg den Steuerstreit zu lösen. Notrecht ist fehl am Platz – das Problem ist schon lange bekannt und ein Bundesgesetz ist möglich. Am Montagnachmittag hat das Steuerstreit-Gesetz die erste Hürde genommen, es bleibt auf der Tagesordnung für die Junisession. Es ist zu hoffen, dass die Parteien die Vorzüge dieser Lösung noch rechtzeitig erkennen und ihre Verantwortung wahrnehmen. Es ist nicht nur die letzte Möglichkeit für eine glimpfliche Lösung, es ist auch eine gute Lösung.
Dominik Elser ist Jurist und lebt in Bern. Im ersten Halbjahr 2012 absolvierte er ein akademisches Praktikum an der schweizerischen Botschaft in Washington D.C.
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