Vermittlerin ohne Bühne? Die Schweiz in der MENA-Region

Die Guten Dienste der Schweiz scheinen in der MENA-Region (Middle East & Nordafrika) im
aktuellen Kontext weniger gefragt zu sein. Dabei wäre jetzt eine ehrliche Vermittlung nötiger
denn je.

MENA-Region

Die Vermittlung zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien? Von China geführt – und in Peking unterzeichnet. Der Austragungsort der aktuellen Gespräche zwischen den USA und der Islamischen Republik Iran über ein neues Nuklearabkommen? Maskat, die Hauptstadt Omans, vermittelt durch den omanischen Aussenminister. Eine geplante Nahostkonferenz zur Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung in Genf? Abgesagt – mangels Aussicht auf eine Einigung der Vertragsparteien der Genfer Konventionen. Lässt sich daraus schlussfolgern, dass die Guten Dienste der Schweiz in der MENA-Region an Bedeutung verlieren?

Die Schweiz hat weiterhin wichtige Schutzmachtmandate in der MENA-Region inne und vermittelt zwischen dem Iran und den USA, Kanada sowie Ägypten. Als Depositarstaat internationaler und humanitärer Verträge geniesst sie nach wie vor eine hohe Legitimation. Ihre traditionelle Rolle scheint sich jedoch einem tiefgreifenden Wandel zu unterziehen.

Von der historisch neutralen Akteurin …

Die Schweiz hat sich in der MENA-Region bereits früh einen guten Ruf erworben – zu einer Zeit, als die europäischen Grossmächte um Einflusszonen im Nahen Osten und in Nordafrika stritten und die Schweiz auf koloniale Ambitionen verzichtete. Stattdessen förderte sie Organisationen wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sowie Handelsbeziehungen über Schweizer Banken und Unternehmen. Letztere liefen allerdings oft über die damaligen Kolonialstrukturen – etwa in Ägypten oder im Libanon.

Der Zweite Weltkrieg gilt als zentrale Phase in der Entwicklung der Schweizer Aussenpolitik. In dieser Zeit übernahm die Schweiz rund 200 Einzelmandate als Schutzmacht für 35 Staaten. Dadurch legte sie den Grundstein für das internationale Vertrauen in ihre Fähigkeit, die Interessen fremder Staaten unparteiisch zu vertreten.

Als zahlreiche MENA-Staaten in den 1950er und 1960er Jahren ihre Unabhängigkeit erlangten, war die diplomatische Rolle der Schweiz mit ihrer Neutralität und ihren Guten Diensten bereits etabliert. Bei den Verhandlungen zur Unabhängigkeit Algeriens und den daraus resultierenden Verträgen von Évian (1962) fungierte zunächst der Genfer Diplomat Olivier Long als geheimer Vermittler. Kurz darauf übernahm die offizielle Schweiz die Rolle der Gastgeberin für die Delegationen der provisorischen Regierung der Algerischen Republik (GPRA), die in der Genferseeregion Gespräche mit Frankreich führten.

Ein weiterer Meilenstein der Schweizer Aussenpolitik in der MENA-Region wurde im Kontext der Islamischen Revolution im Iran 1979 gesetzt. Während die USA und ihre westlichen Verbündeten von der neuen iranischen Führung zum Feindbild erklärt wurden, einigte man sich darauf, die Schweiz als neutrale Vermittlerin zwischen der Islamischen Republik Iran und den USA einzusetzen. Dieses Schutzmachtmandat besteht bis heute und ermöglicht es der Schweiz, regelmässig als Austragungsort für diplomatische Gespräche zu dienen.

…zur Entdeckung des Multilateralismus

Heute hat sich der Schauplatz internationaler Vermittlungen und Friedensgespräche im Kontext der MENA-Region von Genf weg nach Doha, Dschidda oder Ankara verlagert. Dies bedeutet aber nicht zwingend, dass die Rolle der Schweiz obsolet geworden ist. Agierte die Schweiz bis zum Kalten Krieg noch strikt neutral, so wurde ihr Neutralitätsverständnis im Zuge der Globalisierung neu definiert und dem wachsenden Multilateralismus angepasst.

Mit ihrem verstärkten Engagement in internationalen Gremien – etwa in den vergangenen zwei Jahren als nichtständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat – hofft die Schweiz, dank ihrer guten Reputation weiterhin privilegierte Zugänge auf höchster Ebene zu erhalten.

Die MENA-Region verdient ehrliche Vermittlung

Doch spätestens seit der Rückkehr Donald Trumps ins Weisse Haus steckt der Multilateralismus in einer existenziellen Krise. In der MENA-Region – insbesondere im Kontext der völkerrechtswidrigen Handlungen der israelischen Regierung in Gaza und im Libanon – hat sich der UNO-Sicherheitsrat als weitgehend wirkungslos erwiesen.

Das globale Machtgefüge spitzt sich an verschiedenen Fronten drastisch zu, wobei die Vermittlerrollen vermehrt von MENA-Staaten – etwa der Türkei, Katar, Saudi-Arabien oder Oman – übernommen werden. Jedoch handeln diese Akteur:innen oftmals alles andere als neutral. Anstatt Frieden zu vermitteln, befeuern insbesondere die Golfstaaten – mit Ausnahme Omans – das Kriegsgeschehen weiter, etwa im Sudan oder im Jemen.

Humanitäre Werte und internationale Solidarität zählen in einem von Trump-dominierten globalen Zeitgeist nicht mehr und werden durch Eigeninteressen verdrängt. Gerade für die MENA-Region ist eine solche Entwicklung verheerend.

Was in der MENA-Region jetzt gefragt ist, ist eine ehrliche, aus humanitärer Überzeugung motivierte und interessenunabhängige Vermittlung. Und diesbezüglich verfügt die Schweiz immer noch über reichliche Erfahrung und gute Voraussetzungen.