Programmleiterin Völkerrecht und Menschenrechte
Publications by Fanny de Weck
Es besteht ein breiter Konsens, dass die Schweiz in der Lage sein soll, internationale Verträge zu schliessen und dann auch einzuhalten. Da aber Stimmbürgerinnen und Stimmbürger vermehrt Volksinitiativen annehmen, die verbindlichen internationalen Abmachungen widersprechen, bedarf es neuer Lösungsansätze, um Vertragsbrüche zu vermeiden: Ohne klare Regelungen droht bei jeder völkerrechtswidrigen Volksinitiative Rechtsunsicherheit – und zwar nicht nur für die ausländischen Vertragspartner, sondern auch für die Schweizer Bürgerinnen und Bürger. Verschiedene Lösungen wurden über die vergangenen Jahre diskutiert, keine setzte sich durch. Ein Konsens über zusätzliche Gründe für die Ungültigkeitserklärung von Volksinitiativen ist nicht abzusehen. Deshalb ist jetzt eine zweite Runde der Lösungssuche fällig, um demokratische Partizipation nach innen und Vertrauenswürdigkeit der Schweiz nach aussen zu vereinbaren. foraus präsentiert als Denkanstösse zwei neue Lösungsansätze: Der erste Vorschlag geht dahin, in die Schweizerische Bundesverfassung eine Vermutung aufzunehmen, Volksinitiativen wollen im Einklang mit den völkervertragsrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz umgesetzt werden, sofern ihr Wortlaut nicht explizit anders lautet, also nicht die Kündigung der entsprechenden Verpflichtungen verlangt (Vorschlag 1). Der zweite Vorschlag geht dahin, bei einer völkervertragsrechtswidrigen Volksinitiative gleichzeitig – aber in getrennter Abstimmungsfrage – über die Kündigung der ihr widersprechenden völkerrechtlichen Verträge abzustimmen (Vorschlag 2). Die beiden Vorschläge haben den Vorteil grösstmöglicher Transparenz und Rechtssicherheit bei der direktdemokratischen Entscheidungsfindung, ohne letztere einzuschränken. Die Macht, wichtige internationale Verträge zu kündigen, bleibt bei den Bürgerinnen und Bürgern – sie wird weder dem Parlament noch dem Bundesrat übertragen. Zugleich wird die Verantwortung des Stimmvolks gestärkt; als Entscheidungsträger muss es volle Verantwortung für die Folgen der Annahme einer völkervertragsrechtswidrigen Volksinitiative übernehmen.