Inmitten des Wahlherbsts 2023 lancieren wir eine Serie von prägnanten Aussenpolitik-Briefings. In den 14 themenspezifischen Briefings reflektieren 23 Autor:innen die Vielfalt der aussenpolitischen Herausforderungen, die einerseits die Parlamentarier:innen die letzten vier Jahre beschäftigten und andererseits die politische Agenda in naher und mittlerer Zukunft bestimmen werden. Bis zu den nationalen Wahlen am 22. Oktober publizieren wir die Aussenpolitik-Briefings auch als Blogserie.
Executive Summary
– COVID-19 hat aufgezeigt, welche Herausforderung Pandemien für das Krisenmanagement und die Verantwortlichkeiten auf nationaler und internationaler Ebene darstellen.
– Eine ausgebaute Überwachung von Pathogenen und zunehmende internationale Kollaboration können das Gesundheitssystem stärken, öffnen aber auch neue politische Spannungsfelder.
– Neue, interdisziplinäre Ansätze wie One Health können als Basis für Prävention und Vorbeugung zukünftiger Pandemien und eine sektorübergreifende Zusammenarbeit dienen.
Rückblick
Die vergangene Legislatur war vor allem durch die im Jahr 2020 ausgebrochene COVID-19 Pandemie geprägt. Deren Bewältigung stellte eine grosse Herausforderung für Bund und Kantone sowie für die internationalen Zusammenarbeit dar (Internationale Gesundheitsvorschriften ). Neben COVID-19 orientierte sich die Gesundheitsaussenpolitik der Schweiz an den im Mai 2019 durch den Bundesrat verabschiedeten Vorgaben für die Jahre 2019 bis 2024. Zum einen dient diese zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes in der Schweiz zum anderen trägt sie als Instrument der Schweizer Aussenpolitik dazu bei, einen Beitrag zur globalen Gesundheit zu leisten. Generell arbeitet das Bundesamt für Gesundheit an diversen Gesundheitsthemen, die eine internationale Koordination erfordern, wie zum Beispiel die internationale Gesundheitssicherheit. Die globale Gesundheit spielt allgemein eine wichtige Rolle in der Entwicklungszusammenarbeit, wie auch die Motion 22.3144 hervorstreicht. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit veröffentlichte 2021 den Programmrahmen 2021-2024 zum Globalrahmen Gesundheit. Dieser erwähnte die Anwendung des One Health-Ansatzes, um gesundheitsrelevante Faktoren zu adressieren und somit gesunde Lebensbedingungen für alle zu schaffen. Nach WHO-Definition ist One Health ist ein integrativer, einheitlichender Ansatz, der darauf abzielt, die Gesundheit von Menschen, Tieren und Ökosystemen nachhaltig anzugehen und gemeinsam zu optimieren. Insbesondere bei der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen bringt der One Health-Ansatz einen Mehrwert. Auch im Parlament wurde dieser verschiedentlich thematisiert, so in der Interpellation 22.3731 zu den Prioritäten der schweizerischen Gesundheitsaussenpolitik oder der angenommenen Motion 19.3861 zur One Health-Strategie. Aktuell beteiligt sich die Schweiz an der Ausarbeitung eines neuen internationalen Pandemie-Instruments im Rahmen der WHO sowie an den Debatten über die Finanzierung der Prävention, Vorsorge und Reaktion auf Pandemien und die Umsetzung des One Health Ansatzes (Aussenpolitischer Bericht 2022).
Ausblick
Die verheerenden Auswirkungen von COVID-19 haben zu ausführlichen Diskussionen darüber geführt, wie man sich besser auf die nächste Pandemie vorbereiten kann. Es braucht eine höhere Priorisierung von Prävention potenzieller Übertragungen. Bisher basierte die Bekämpfung von Pandemien hauptsächlich auf Eindämmung und Kontrolle, nachdem eine Krankheit ausgebrochen war. Es wird prognostiziert, dass globale Hotspots für neue Infektionskrankheiten mit möglichem pandemischen Potenzial häufiger in tropischen Regionen auftreten werden. Dennoch ist das Risiko dieser Übertragungen für die Schweiz von Bedeutung, da sie eine potenzielle globale Bedrohung darstellen. Der Bundesrat erwähnt in seiner Antwort auf die Frage 23.7240, dass zurzeit Grundlagen und Möglichkeiten erarbeitet werden, um die globale Gesundheitsarchitektur langfristig zu stärken. Dabei spielt die Finanzierung für internationale Organisationen und Initiativen im Bereich des Gesundheitsschutzes eine wichtige Rolle. Im Rahmen der geplanten Teilrevision des Epidemiengesetzes verlangt unter anderem die zuständige Kommission des Ständerates (SGK-S) die Prüfung einer rechtlichen Grundlage, um eine längerfristige Förderung von globalen Massnahmen im Bereich der Pandemievorbereitung zu schaffen.
Die COVID-19 Pandemie hat einmal mehr die enge Verflechtung zwischen Menschen, Tieren und der Umwelt aufgezeigt, weshalb ein One-Health-Ansatz auch in der Pandemievorbeugung und -vorsorge relevant ist. Zusätzlich stellt sich die Frage, wie das Gesundheitssystem mit Blick auf zukünftige Pandemien weiter gestärkt werden kann. Dabei wird einerseits die digitale Gesundheit in den kommenden Jahren voraussichtlich an Bedeutung gewinnen. Vor allem bei Notfällen im Bereich der öffentlichen Gesundheit könnten digitale Gesundheitsdienste eine wesentliche Unterstützung bieten. Der Einsatz digitaler Technologien während einer Gesundheitskrise könnte die Ausbreitung von Infektionen verhindern, künftige Ausbrüche vorhersagen und so eine optimale Verwaltung der Gesundheitsressourcen, die Entwicklung von Impfstoffen oder datengestützte Massnahmen und Verordnungen ermöglichen. Zum anderen werden Kollaborationen, wie ein Gesundheitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU, die politische Debatte mitprägen. Mit einem solchen Abkommen soll Wissen ausgetauscht sowie die Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich vertraglich abgesichert werden (siehe Lagebeurteilung Beziehungen Schweiz-EU sowie die Antwort des Bundesrates auf die Interpellation 22.4203). Auf internationaler Ebene wurde im Frühjahr 2022 der Verhandlungsprozess für ein mögliches Übereinkommen zur globalen Pandemievorbereitung gestartet. Dieses wird voraussichtlich an der nächsten Weltgesundheitsversammlung im Mai 2024 vorgestellt. Parallel beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe von Mitgliedstaaten der WHO mit der Revision der Internationalen Gesundheitsvorschriften. Die Arbeitsgruppe wird ein Paket von Änderungen vorschlagen, welche auf den Erfahrungen der COVID-19 Pandemie aufbauen. Dies erlaubt der Schweiz bereits bestehende Diskussionen (Interpellation 23.3302, Motion 23.3910) weiterzuführen und zu entscheiden, ob der Beitritt und anfallende Änderungen in ihrem Interesse sind.