Die Konzernverantwortungsinitiative: Emotional diskutiert, umkämpft, und alles andere als klar. Im ersten Teil dieses Beitrags soll dargelegt werden, ob die Konzernverantwortungsinitiative aus entwicklungspolitscher Sicht Sinn macht, oder ob sie im Gegenteil zu einem Nachteil für die Bevölkerung des globalen Südens gereichen würde.
Kaum eine in den letzten Jahren in der Schweiz lancierte Initiative wurde so heftig und intensiv diskutiert wie die eidgenössische Volksinitiative “Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt”, kurz “Konzernverantwortungsinitiative”. Obwohl das Thema die Bevölkerung der Schweiz über die letzten vier Jahre hinweg begleitet und bewegt hat, herrscht nach wie vor Unklarheit über die genauen Implikationen einer allfälligen Annahme der Initiative. Dabei fällt auf, dass die Abstimmung zum Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen richtig und falsch hochstilisiert wurde. Hier möchten wir daran erinnern, dass eine der grössten Stärken der Schweiz darin liegt, eine Diskussionsbasis und darauf aufbauend Kompromisse zu finden. Diese Tugend sollte unbedingt bewahrt werden und nicht einer zunehmend moralisierenden Gesellschaft, für die man entweder auf der richtigen oder der falschen Seite steht, geopfert werden.
Deshalb zielt der vorliegende zweiteilige Blogbeitrag auch nicht darauf ab, eine Abstimmungsempfehlung abzugeben. Vielmehr soll er im äusserst hitzigen und emotional geführten Abstimmungskampf eine nüchterne, faktenbasierte Ansicht wiedergeben. Dazu werden in den zwei Blogbeiträgen vier ausgewählte Spannungsfelder zur Initiative untersucht.
Im ersten Teil dieses Beitrags soll dargelegt werden, ob die Konzernverantwortungsinitiative aus entwicklungspolitscher Sicht Sinn macht.
Befürworter und Gegner der Initiative gehen darin einig, dass die Privatwirtschaft einen wichtigen Akteur in der internationalen Zusammenarbeit darstellt. So stellt der Privatsektor beispielsweise neun von zehn Jobs in Entwicklungsländern. Die Wichtigkeit des Privatsektors erkennt auch die Schweizer Strategie Internationale Zusammenarbeit 2021-2024. Sie gibt vor, dass vermehrt Public Private Partnerships (PPPs) eingegangen werden sollen und der Anteil kofinanzierter Projekte bis 2024 von derzeit fünf Prozent auf möglichst zehn Prozent verdoppelt werden soll. Gleichzeitig wird in der Strategie aber auch mehr Kohärenz zwischen Unternehmensverantwortung und Entwicklungszielen gefordert, da der Privatsektor nicht per se Heilsbringer im entwicklungspolitischen Kontext ist, sondern dazu auch gewisse Bedingungen erfüllen muss.
Die Annahme der Initiative könnte dazu führen, dass Konzerne tatsächlich öfter PPPs eingehen. So profitieren einerseits die Konzerne selbst, da sie in solchen Partnerschaften ihre Interessen, wie etwa eine Steigerung der Produktivität oder Zertifizierung, verfolgen können. Andererseits kommen aber auch vom Bund propagierte, entwicklungspolitisch wichtige Aspekte wie Gleichstellung oder Kinderarbeit nicht zu kurz. Weiter kann durch solche PPPs sichergestellt werden, dass grundlegende Voraussetzungen für die Beteiligung an marktwirtschaftlichem Austausch wie etwa Bildung, Gesundheit, Infrastruktur und Zugang zu Informationen gefördert werden. In der Summe ergibt das einen nachhaltigeren Ansatz, durch den erarbeitete Lösungen auch nach Abschluss einer unterstützenden Intervention fortbestehen. Schliesslich wird nicht nur durch PPPs im Speziellen, sondern durch die Annahme der Konzernverantwortungsinitiative im Allgemeinen, sichergestellt, dass die Interessen der Privatwirtschaft denjenigen der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz nicht zuwider laufen. Gleichzeitig wird so auchgewährleistet dass die in die internationale Zusammenarbeit investierten Schweizer Steuergelder nicht an der Entfaltung ihrer maximalen Wirkung gehindert werden.
Dass sich durch Annahme der Initiative Konzerne aus Entwicklungsländern zurückziehen und die lokale Bevölkerung plötzlich gar keine Jobs mehr hat, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Dies hat einerseits damit zu tun, dass ein allfälliger Umzug von Produktionsstätten mit zahlreichen Herausforderungen und einem enormen logistischen, zeitlichen, politischen und letztlich auch finanziellen Aufwand, verbunden wäre. Aus wirtschaftlicher Sicht dürfte es also lohnender sein, zumindest in die minimalen Standards zu investieren. Weiter ist es beispielsweise im Rohstoffsektor gar nicht möglich den Standort beliebig zu wechseln. Es liegt in der Natur der Sache, dass man sich für den Rohstoffabbau an den Rohstoffvorkommen orientieren muss. Das dritte und vielleicht gewichtigste Argument, das gegen einen Rückzug aus den gegenwärtigen Produktionsländern spricht, ist, dass die bei einer Annahme der Konzernverantwortungsinitiative einzuführende Haftungspflicht überall besteht. Es bringt also nichts, einfach den Produktionsstandard zu wechseln, solange nicht auch die zu der Produktion nötigen Praktiken verbessert werden.
Es lässt sich also festhalten, dass die Initiative aus entwicklungspolitischer Perspektive durchaus positiv zu werten ist. Wieso der Initiativtext trotzdem einige Herausforderungen bereithält, wird im zweiten Teil des Blogbeitrags aus juristischer Sicht betrachtet.
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