Letzten Monat fand zum 54. Mal die Münchner Sicherheitskonferenz statt – das Resultat ist ernüchternd. In Zeiten der geopolitischen Spannungen halten viele Staatsvertreter an nationalen Interessen fest. Einzig in der Cybersicherheit konnten konkrete Lösungsvorschläge erarbeitet werden – diese kamen aber eher aus der Wirtschaft und dem Dritten Sektor.
Die 54. Konferenz zeichnete mit dem diesjährigen Titel «Zum Abgrund – und wieder zurück?», ein eher düsteres Bild der aktuellen Sicherheitslage. Dazu passend startete die Konferenz auch schon mit einem Beinahe-Eklat, als das iranische Staatsflugzeug notfallmässig durch die Bundeswehr betankt werden musste, nachdem sich die Mineralölfirmen aus Angst vor Sanktionen der USA geweigert hatten. Auch die Abwesenheit grosser Polit-Namen und eine konfrontative, statt konstruktive Stimmung während der ganzen Konferenz, schienen die im Titel der Veranstaltung gestellte Frage eher zu verneinen.
Konfrontation statt Kooperation
Währen sich Russland und die USA einen Schlagabtausch lieferten, attackierte Israels Regierungschef Iran mit scharfen Worten und warnte vor einer Konfrontation im Syrien-Krieg. Gleichzeitig zeigten sich Frankreich und Deutschland besorgt über das Erstarken Chinas, das eine Bedrohung für die liberale Weltordnung darstelle. Und der ukrainische Ministerpräsident Poroschenko – eine EU Flagge auf der Bühne ausrollend – prangerte derweil Russland als Aggressor an. Verteidigungsminister Mattis nahm zwar an der Konferenz teil, sprach aber kein Wort, womit auch die kürzlich verkündete Nuklearstrategie der USA – formuliert ohne Rücksprache mit den europäischen Nuklearpartnern – nicht weiter erörtert wurde.
Gemeinsame Lösungen für globale Sicherheitsprobleme und aktuelle Krisenherde wurden folgerichtig nicht gefunden. An der diesjährigen Konferenz wurde mehr denn je die starke Priorisierung nationaler Interessen sichtbar. Das Vereinigte Königreich war mit sich und den Folgen des Brexits beschäftigt und Deutschland befand sich während der Konferenz noch immer in der Regierungsbildungsphase.
Einzig Vertreter der EU und einige europäische Verteidigungsminister sprachen sich derweil für eine verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen des Programms PESCO (Permanent Structured Cooperation) aus. Diese neue «Verteidigungsunion» stösst jedoch nicht nur die Amerikaner vor den Kopf, viele sehen eine EU-Armee als unrealistisch oder gar als eine Gefahr für die NATO. Unumstritten blieb einzig der Beschluss zur engeren Zusammenarbeit der Geheimdienste von rund zwanzig Staaten aus Europa, Nordamerika, Nordafrika und dem Nahen Osten.
Gelungener IT-Auftakt durch die Munich Cyber Security Conference
Eröffnet wurde die Hauptkonferenz von einer zusätzlichen Cyberkonferenz, der Munich Cyber Security Conference (MCSC), auf der die wesentlichen Konferenzthemen auf einer technischen Ebene vordiskutiert wurden. Einer ihrer Schwerpunkte besetzte das Internet der Dinge, welches bisher als Angriffsziel für Hacker völlig unterschätzt worden sei, obwohl durch die niedrigen Sicherheitsstandards leicht auf kritische Infrastruktursysteme zugegriffen werden kann.
«Egal, ob es sich um Hochregallager mit Anwendungen für das Internet der Dinge handelt, um vernetzte Autofabriken oder um smarte Wohnungen – wir müssen hier die Einfallstore schliessen», mahnte auch Marina Kaljurand, Vorsitzende der globalen Kommission für die Stabilität des Cyberspace in Den Haag. Sie forderte die Regierungsvertreter dazu auf, endlich über den «Tellerrand hinaus» zu schauen und schlug die Einführung digitaler diplomatischer Vertretungen vor.
Zudem formulierten während der Cyberkonferenz mehrere Unternehmen, darunter Grosskonzerne wie Siemens, Daimler und IBM, eine Charter of Trust, in der die Unterzeichner verbindliche Regeln und Sicherheitsstandards im Cyber-Bereich fordern. Die Charta richtet sich aber auch an Politik und Gesellschaft. Regeln zur Cybersicherheit sollten auch Bestandteil von Freihandelsabkommen werden. Zudem sollen Privatpersonen mehr auf Sicherheit bei Produkten und ihrer Anwendung sensibilisiert werden.
Auch für die Schweiz besteht im Bereich Cybersicherheit dringender Handlungsbedarf. Mehr als ein Drittel aller mittleren und kleinen Unternehmen in der Schweiz sind schon von Hackern attackiert worden, und auch der Bund bleibt mit fast täglichen Cyberangriffen nicht verschont. Während das VBS auf die Ausbildung von IT-Spezialisten und die Schaffung von 100 neuen Stellen für die Cyber-Defence bis 2020 setzt, verlassen sich die EU-Mitgliedstaaten auch im Cyberbereich in Zukunft vermehrt auf die Zusammenarbeit durch PESCO. Dort sind Programme, insbesondere im Bereich des Informationsaustauschs, der Ausbildung und der operativen Unterstützung geplant.
Nicht-staatliche Akteure als die wahren Politikmacher
Obwohl die US-Regierung weitgehend mit Abwesenheit glänzte, scheint Trump’s «America First» Mentalität auch die Münchner Sicherheitskonferenz erreicht zu haben, die als Bühne für nationalstaatliche Inszenierungen dienen musste. Vor dem schon im pessimistischen Titel beschworenen «Abgrund», schienen dabei die wenigsten zurückweichen zu wollen. Wegen geopolitischen Spannungen und mangelnder Kooperationsbereitschaft blieben griffige Lösungsansätze auf der Strecke. München hat aber auch eindrücklich gezeigt, dass nicht nur das technische Knowhow, sondern auch der Handlungswille eher bei nicht-staatlichen Akteuren und Initiativen zu liegen scheint. Das bewies die produktive Zusammenarbeit von Sicherheitsforschung mit Industrie und Zivilgesellschaft zum Thema Cybersicherheit, wo dank der der Vorstrukturierung der MCSC, mit konkreten Lösungsansätzen aufgewartet werden konnte. Dass im Cyberbereich zivilgesellschaftliche und wirtschaftliche Interessen, freigelöst von nationalstaatlicher Polemik, die Lösungsfindung voranzutreiben vermögen, zeigte sich auch bereits im vergangenen Jahr, wo direkt auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2017 die Kommission für die Stabilität des Cyberspace, initiiert von zwei unabhängigen Think Tanks gegründet wurde. Ein Format wie die Cyberkonferenz könnte sich also in Zukunft auch für andere Themenbereiche der Münchner Sicherheitskonferenz durchaus lohnen.
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