Während die Proteste in Tunesien und Ägypten über Facebook und Twitter initiiert wurden, hat die offizielle Schweiz das Potential der neuen Medien bisher praktisch noch nicht entdeckt. Es besteht Aufholbedarf – auch im Interesse der Aussenpolitik.
Bei der Mobilisierung der Massen für die Proteste in Tunesien und Ägypten haben Facebook und Twitter eine wichtige Rolle gespielt. Nach der Ansprache von Barack Obama Freitag Nacht, hat das Weisse Haus sofort den wichtigsten Ausschnitt aus der Rede getwittert: „President Obama calls on Egypt to „reverse the actions that they’ve taken to interfere with access to the Internet“ und so versucht im medialen Gefecht zu punkten. Nicht nur auf Twitter ist das Weisse Haus hochoffiziell vertreten, Links vom offiziellen Facebook-Profil führen zu Flickr, Myspace, Vimeo, Youtube und Slideshare, das weisse Haus besitzt sogar eine eigene Facebook Application. Das Online-Marketing hat schon bei der Wahl von Präsident Barack Obama eine wichtige Rolle gespielt und ist Teil der amerikanischen (Aussen)politik geworden. So berichtet Foreign Policy am 28. Januar 2011, dass sich das State Departement aktiv dafür einsetzt, ein weltweites Netzwerk von Organisationen aufzubauen, die eine allfällige Internet- und Handyblockade umgehen und damit das Recht auf freie Meinungsäusserung aufrechterhalten können.
Die Schweiz hat Aufholbedarf
Es stellt sich die Frage, wo die Schweiz hinsichtlich dieser Entwicklungen steht. Die Facebookseite von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey ist die einzige offizielle Präsenz auf Ministerebene in den sozialen Netzwerken, die auch aktiv genutzt wird. Weitere Seiten werden vom Schweizer Parlament, von der Botschaft in Washington (ThinkSwiss), den swissnexes (Boston, San Francisco und Singapur), OSEC, Schweiz Tourismus und Swissinfo betrieben. Die Plattform „ch.ch“, welche gemäss eigenem Profil die „offizielle Schweiz im Internet repräsentiert“ aber von nur 82 Nutzern verfolgt wird, die Bundesverwaltung mit 55 Abonnenten, die Botschaft in Washington (ThinkSwiss), das Schweizer Parlament, sowie das BAFU und UVEK sind einige der Vertreter des Bundes auf Twitter. Neben dieser nicht abschliessenden Aufzählung offizieller, gibt es eine grosse Anzahl inoffizieller Fanpages und Twitter-Accounts.
Verpasste Chancen
Für Jemanden, der an unserem Land interessiert ist, lebe er in der Schweiz oder im Ausland, ist es sehr schwierig, eine glaubwürdige Informationsquelle zu finden, auf die er sich berufen und sich eine Übersicht verschaffen kann. Die mangelhafte Präsenz ermöglicht es Einzelpersonen und Interessengruppen in diese Rolle zu schlüpfen. Den Besucher/innen fällt es schwer, zwischen offiziellen und inoffiziellen Informationen zu unterscheiden.
Die Schweiz verpasst es, wichtige Informationen über die sozialen Netzwerke zu verbreiten und damit eine einzigartige Möglichkeit, transparent zu informieren und sich neue Kanäle zu bisher unerreichbaren Zielgruppen zu erschliessen. Auch stellen die sozialen Netzwerke eine ideale Möglichkeit dar, Informationen zu verbreiten, ohne dabei von den etablierten Medien abhängig zu sein.
Die Neuigkeit im Web 2.0 besteht in der aktiven Beteiligung der Nutzer und einem aktiven Meinungsaustausch. Die Präsenz auf den sozialen Netzwerken ist von fundamentaler Bedeutung, indem Bundesbern damit auf die Sorgen und Anliegen der Bevölkerung eingehen, und näher am Volk regieren kann.
Werkzeug der Aussenpolitik
Das Web 2.0 ist zu einem neuen Faktor in der Aussenpolitik geworden. International können Informationen verbreitet, und kann Verständnis für Entscheidungen und Positionen geschaffen werden. Ein gutes Beispiel dafür ist die Annahme der Minarett-Initiative und die daraus entstandenen Aufschreie in der muslimischen Welt. Im Wissen darum, über die neuen Medien eine grosse Anzahl Menschen, speziell auch Entscheidungsträger und Meinungsführer, in den betroffenen Regionen ansprechen zu können, wären diese ein mehr als geeignetes Mittel, der schweizerischen Position zu Gehör und Verständnis zu verhelfen. Das EDA hat am 1. Februar mitgeteilt, das Image der Schweiz habe sich bei der Bevölkerung in Ägypten und der Türkei im letzten Jahr leicht verschlechtert.
Es ist wichtig, anstatt über sich reden zu lassen, aktiv die eigenen Standpunkte und Interessen zu kommunizieren und zu vertreten. Auch von grosser Bedeutung ist es, mit einer Stimme zu sprechen. Trotz ihrer komplexen Struktur, sei der Schweiz geraten, eine zentrale, einfach auffindbare und umfassende Kommunikationsplattform in den neuen Medien zu schaffen, über die sich Menschen auf der ganzen Welt auch in englischer Sprache über die offiziellen politischen Positionen und Entscheidungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft informieren können.
Adrian Mahlstein hat am Genfer Hochschulinstitut für Internationale Studien und Entwicklung (IHEID) Internationale Beziehungen studiert und ist Gründungsmitglied von foraus – Forum Aussenpolitik wo er die Arbeitsgruppe Identität Schweiz leitet. Ausserdem ist Adrian Mahlstein Social Media Verantwortlicher von foraus.
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