Erschwerte Integration, Verunmöglichen der finanziellen Selbständigkeit und Unterstützung des Populismus – der Anpassung der Asylrechtsprechung gegenüber Menschen aus Eritrea ist nichts Positives abzugewinnen.
Am 30. Januar 2017 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die neue Praxis des Staatssekretariats für Migration (SEM) gegenüber Menschen, die aus Eritrea geflüchtet sind: Wenn die Ausreise aus Eritrea und die daraufhin zu erwartende Bestrafung durch das eritreische Regime die einzigen Fluchtgründe sind, so reicht dies künftig nicht mehr aus, um in der Schweiz Asyl zu erhalten.
Die Medienresonanz auf dieses Urteil war eindrücklich. Die einen freuten sich, dass endlich jemand durchgreift, die anderen empörten sich, dass doch Menschen aus Eritrea nicht in dieses Land zurückgeschickt werden können. Doch was besagt der Entscheid wirklich und was wird sich dadurch verändern?
Zweifelhafte Quellen
Die Grundargumentation für die Praxisänderung liegt darin, dass die Angst vor Repressalien bei einer Rückkehr nach Eritrea infolge einer illegalen Ausreise nicht mehr als „begründete Furcht“ gilt. Zudem fehle gemäss Bundesverwaltungsgericht das politische Motiv der Sanktionierung, welches eine Grundvoraussetzung für die Asylgewährung ist. Diese Argumentation ist schwierig nachzuvollziehen – insbesondere da sie eine Praxisänderung darstellt, welche mit einer Veränderung der Ausgangslage in Eritrea einhergehen müsste. Eine solche wiederum sei nicht erkennbar, auch wenn sich die Richterschaft bemühte, neue Informationsquellen beizuziehen. Als Grundlage für die Praxisänderung wird sodann beispielsweise ein Bericht aus Grossbritannien zitiert. Da selbst die Mitarbeiter der britischen Botschaft den Grossraum Asmara nicht ohne Bewilligung verlassen dürfen, ist fraglich, wie zuverlässig diese Quelle ist. Als weitere Referenz dient eine Publikation des norwegischen Migrationsdienstes, welche nicht ganz frei von Eigeninteressen der Verfasser sein dürfte (so auch der Bericht der europäischen Migrationsbehörde EASO). Schliesslich wird ein NZZ Artikel aus dem Jahre 2014 zu Rate gezogen und die Anzahl der Flugverbindungen zwischen Europa und Eritrea dahingehend interpretiert, dass die Bestrafungspraxis für Eritrea-Rückkehrer gelockert worden sei. Es ist schwierig nachzuvollziehen, wie derartige (Sekundär-)Quellen ausreichen sollen, um die Gefährdung in einem totalitären Staat neu beurteilen zu können.
Politisches Motiv der Repressalien
Enttäuschend ist, dass das Gericht mit keinem Wort die Auslandstrafsteuer, die Menschen aus Eritrea dem totalitären Regime ihres Heimatstaates zu bezahlen haben, hinterfragt. Darüber hinaus ist unverständlich, aus welchen Gründen eine Verfolgung, welche während Jahren als politisch motiviert galt, ohne entsprechend fundierte Begründung neu als „nicht politisch motiviert“ beurteilt wird. Der Umstand, dass eine kurzzeitige Rückkehr nicht mehr in jedem Fall mit Nachteilen verbunden ist, da der eritreische Staat auf die ausländischen Devisen angewiesen ist, ändert nichts an der politischen Motivation, die Ausreise aus Eritrea im Zeitpunkt einer längerfristigen Rückkehr drastisch zu bestrafen.
Kein Asyl – aber vorläufige Aufnahme
Es ist ein Irrglaube, dass sich aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts nun weniger Menschen aus Eritrea in der Schweiz aufhalten werden. Vielmehr werden jene Personen, welchen Asyl verwehrt bleibt, grösstenteils vorläufig aufgenommen, da eine zwangsweise Rückschaffung nach Eritrea aufgrund der Menschenrechtslage vor Ort völkerrechtlich nicht zulässig ist. Infolgedessen werden durch die neue Praxis weder weniger Menschen aus Eritrea in die Schweiz flüchten, noch werden mehr von ihnen nach Eritrea zurückgeschafft.
Populismus anstatt Integration
Das Urteil wird aber denjenigen, die nun lediglich vorläufig aufgenommen werden, neue Steine in den Weg legen: Vorläufig aufgenommene Personen benötigen für die Erwerbstätigkeit eine Bewilligung und ihr Lohn wird mit einer Sondersteuer von 10% belegt. Der Kurswechsel des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht nur inhaltlich schwer nachvollziehbar, vielmehr wird er auch ausschliesslich Verlierer mit sich bringen. Den geflüchteten Menschen aus Eritrea wird durch den unbefriedigenden Status als vorläufig Aufgenommene die Integration erheblich erschwert und ihr Weg in die Erwerbstätigkeit (und damit finanzielle Unabhängigkeit) weitgehend blockiert. Einziger Gewinner dieser neuen Praxis dürfte der rechte Populismus sein, der die neue Rechtsprechung dazu missbraucht, um die Theorie der eritreischen Scheinflüchtlinge zu untermalen.
Asyl erhalten Menschen auf der Flucht in der Schweiz dann, wenn sie in ihrem Heimatstaat wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie unerträglicher psychischer Druck. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, ist eine vorläufige Aufnahme in der Schweiz dennoch möglich, wenn eine Wegweisung nicht zulässig, nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Im Gegensatz zum Flüchtlingsstatus wird bei der vorläufigen Aufnahme der Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert, bei Erwerbstätigkeit muss eine Sondersteuer entrichtet werden, Sozialleistungen werden reduziert und die Möglichkeiten für Familienzusammenführung sind eingeschränkt.