Fünf Schwerpunkte, vier Jahre, eine Region: Fazit der MENA-Strategie 2020-2024

Der Bundesrat widmet der MENA-Region mehr Gewicht in seiner Aussenpolitik. Bald kommt die Fortsetzung der ersten MENA-Strategie – höchste Zeit zurückzuschauen.

Mit Ablauf des Jahres 2024 endete auch die Strategie 2020-2024 der MENA-Region (Naher und Mittlerer Osten sowie Nordafrika) des Bundesrats. Eine neue Strategie lässt Stand Mai 2025 auf sich warten. Angesichts der unsicheren Weltlage ist dies nicht verwunderlich. Im zweiten Blogbeitrag dieser Serie ziehen wir eine Bilanz der Periode 2020-2024. Welche Ziele der MENA-Strategie wurden erreicht? Und wie hat sich die Region in dieser Zeit entwickelt?

Bedeutung der MENA-Region für die Schweiz «beträchtlich»

Mit der Veröffentlichung einer weiteren geographischen Strategie entschied der Bundesrat, die aussenpolitischen Interessen der Schweiz zum ersten Mal im spezifischen Kontext der MENA-Region zu präzisieren. Dies verdeutlicht, dass die MENA-Region für die Schweiz zunehmend wichtiger wird. Laut Bundesrat trägt eine stabile und prosperierende MENA-Region direkt zum Wohlstand und zur Sicherheit der Schweiz bei.

Aus diesen Interessen leitet die MENA-Strategie fünf Schwerpunkte in folgender Reihenfolge ab:

  1. Frieden, Sicherheit und Menschenrechte
  2. Migration und Schutz von Menschen in Not
  3. Nachhaltige Entwicklung
  4. Wirtschaft, Finanzen und Wissenschaft
  5. Digitalisierung und Neue Technologien

Die Schwerpunkte werden zudem in den drei Zonen – Nordafrika, Naher Osten und Arabisch/ Persischer Golf – weiter vertieft, was angesichts der grossen Heterogenität der MENO-Region sinnvoll ist.

Der Bericht wurde am 14. Oktober 2020 vom Bundesrat genehmigt, nachdem dieser aufgrund der COVID-19 Pandemie wohl noch leicht angepasst werden musste. Besonders hervorgehoben werden die Flexibilität und die Kapazität der Schweiz auf «neue Verhältnisse und unvorhergesehene Ereignisse» zu reagieren.

Frieden, Sicherheit und Menschenrechte von Geopolitik eingeholt

Wie sehr die MENA-Region in den letzten vier Jahren von unvorhergesehenen Ereignissen geprägt wurde, lässt sich erst im Rückblick ermessen. Nach den sogenannten Abraham Accords, die 2020 die Beziehungen zwischen drei weiteren arabischen Staaten – den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Marokko – mit Israel einleiteten, war die Hoffnung zumindest in Bezug auf mehr Frieden und Sicherheit gross.

Nach dem Massaker der Hamas an der israelischen Bevölkerung und dem darauffolgenden Krieg der israelischen Regierung in Gaza – aber auch mit Blick auf die humanitäre Lagen im Sudan und im Jemen – befindet sich der Bereich Frieden, Sicherheit und Menschenrechte heute an einem tragischen Tiefpunkt.

Schwerpunkt Migration und Schutz von Menschen in Not durch Kürzungen bedroht

Mit dem zweiten Schwerpunkt verfolgt die Schweiz die Absicht, «irregulärer Migration vorbeugen, indem sie langfristig die vielschichtigen Ursachen in der Region bearbeitet» (S. 13). Dieses Ziel wurde im letzten Jahr durch die Frage der Weiterfinanzierung des Bereichs Internationale Zusammenarbeit (IZA) tangiert. Im Rahmen des Entlastungspakets des Bundes (EP27) wurden kürzlich mehrere Kürzungen beschlossen, die auch das Schweizer Engagement in der MENA-Region zum Schutz von Migrant:innen und zur Schaffung nachhaltiger Perspektiven vor Ort gefährden.

Seit dem Beginn der zweiten Amtszeit von Donald Trump Anfang 2025 erlebt die internationale Zusammenarbeit eine beispiellose Kehrtwende. Im Bereich der humanitären Hilfe herrscht, angeführt von den USA, ein Zeitgeist der plötzlichen und planlosen Desinvestition. Diese Entwicklungen stehen im deutlichen Widerspruch zu den Interessen der Schweiz, die sich seit Langem für Stabilität und Menschenrechte in der MENA-Region einsetzt.

Positive Bilanz bei wirtschaftlichen Schwerpunkten

Bei Nachhaltigkeitsfragen lag der Fokus vor allem auf den wirtschaftlichen Perspektiven. Eine grosse Rolle spielen dabei die rasante Energiewende und Digitalisierung in den Golfstaaten. Währenddessen konnte die Schweiz im Zeitraum 2020-2024 ihre Innovationskraft und Attraktivität als Wirtschaftsstandort weiter stärken – etwa durch den grossen Erfolg des Swiss Pavillons an der Dubai Expo 2020.

Auch in Bezug auf den Markzugang von Schweizer Unternehmen, die Diversifizierung der Wirtschaft sowie die stärkere Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt wurden in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte erzielt. So eröffnete beispielsweise das Schweizer Softwareunternehmen SwissGRC eine Niederlassung in Dubai, die für den Markt digitaler Sicherheitsanbietern in der ganzen MENA-Region zuständig ist.

Ein weiteres Beispiel für einen positiven Trend ist der Rückgang rechtlicher Geschlechterdiskriminierung. Trotz diesen Entwicklungen warnen humanitäre Organisationen weiterhin vor der prekären Lage der Frauenrechte vor Ort.

Verzögerung der neuen MENA-Strategie durch den aktuellen globalen Kontext?

Neben den genannten Schwerpunkten evaluiert das Strategiepapier auch die geopolitische Situation und die Allianzen der MENA-Region, sowie deren Hauptakteur:innen. Auf dieser Grundlage wird unter anderem auch die offizielle Haltung der Schweiz zu bestimmten Konflikten und Sanktionen festgelegt.

Mit Donald Trump im Weissen Haus ist es jedoch schwierig, die weiteren Entwicklungen vorherzusagen. Diese globale Unsicherheit wirkt sich unweigerlich auch auf die Fortführung der MENA-Strategie aus.

Für die neue MENA-Strategie ist umstritten, wie sich der Bundesrat zu den aktuellen Geschehnissen in Gaza positioniert. Spätestens seit dem israelischen Bruch des Waffenstillstands im März 2025 häufen sich die Stimmen, die das Vorgehen der israelischen Regierung in Gaza und im Westjordanland als ethnische Säuberung bezeichnen. Diese Tatsache hat die internationale Debatte verschärft und setzt auch die Schweiz zunehmend unter politischen und diplomatischen Druck.

Eine friedliche, auf dem Völkerrecht basierende MENA-Region, in der sich nachhaltige Perspektiven entfalten können, wird auch die Vision der nächsten Strategie sein. Der Weg dorthin ist jedoch lang, weshalb jetzt entschlossenes Handeln statt weiteres Abwarten umso dringender ist.