Humanitärer Weltgipfel in Istanbul: Ambitioniert? Kritisiert? Nötig!

Diese Woche versammelten sich Politiker und Diplomaten aus 175 Nationen am Bosporus, um am ersten humanitären Weltgipfel über globale Herausforderungen und deren Lösung zu diskutieren. Obwohl diese Konferenz vielfach kritisiert wurde, ist sie doch unumgänglich. Die Chance ist zu packen.

 

Anfangs Woche versammelten sich Politiker und Diplomaten aus 175 Nationen am Bosporus, um am ersten humanitären Weltgipfel über globale Herausforderungen und deren Lösung zu diskutieren. Obwohl diese Konferenz vielfach kritisiert wurde, ist sie doch unumgänglich.

Mehr Menschen denn je (125 Millionen) benötigen humanitäre Hilfe, 60 Millionen sind auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung, die Hilfsorganisationen, zugleich, sind konstant unterfinanziert, und das Humanitäre Völkerrecht wird regelmässig missachtet und gebrochen. Noch nie seit dem 2. Weltkrieg war die Lage so dramatisch wie heute. Aufgrund dessen will der Generalsekretär der UNO, Ban Ki-moon, die internationale Gemeinschaft dazu bringen sich auf neue globale humanitäre Standards zu einigen. So versammelten sich vergangenen Montag hunderte von Politikern, Diplomaten, NGO-Vertreter, Wissenschaftler und Journalisten in Istanbul zum ersten Weltgipfel für humanitäre Hilfe um das globale System der Nothilfe umfassend zu reformieren.  Unter den 175 vertretenen Staaten war auch die Schweiz, welche sich bereits im Vorfeld des Gipfels sehr engagierte und vergangenen Oktober zur Vorbereitung auf Istanbul die «Global Consultation»in Genf veranstaltete. Zu den zentralen Verpflichtungen, zu denen der UN-Generalsekretär die Staatsvertreter bewegen will, gehören unter anderem die bessere Strukturierung der humanitären Hilfe, die Stärkung und Einhaltung des humanitären Völkerrecht, mehr Ressourcen für lokale Organisationen, bessere Vorausplanung für Katastrophensituationen und Klimawandel sowie die Verteilung der Flüchtlinge. Es ist dies in der 70-jährigen Geschichte der UNO der erste Gipfel, der sich ganz humanitären Fragen widmet.

Vielfach kritisiert…

Indessen wurde bereits vor diesem Anlass verschiedentlich Kritik laut: Die britische Oxfam warnte, dass der Gipfel mehr als ein «teurer Quasselbude» sein muss. Der Journalist John Norris des Magazins Foreign Policy nannte den Gipfel «totales Chaos» und ein «gigantisches Jamboree», das zwar mit guten Absichten lanciert wurde, sich jedoch zu etwas Ähnlichem wie einem Zugsunglück entwickle. Dies nicht nur, weil vorgängig noch keine Abkommen vereinbart wurden, sondern auch die Türkei als Gaststaat aufgrund der zahlreichen durch sie verursachten humanitären Notfälle der denkbar schlechteste Ort für diesen Gipfel sei. Auch sei es angesichts der Bomben, gezielten Angriffe auf Spitäler und anderer Grausamkeiten schwierig ein ernsthaftes Gespräch über die Normen zum Schutz von Zivilisten zu führen, wenn sich die Rhetorik so leer anfühle.

 

Noch weiter ging deshalb die Organisation Médecins Sans Frontières. In einem Statement nannte sie den Gipfel ein «Feigenblatt von guten Absichten, das erlaube die systematischen Verstösse [gegen das humanitäre Völkerrecht und das Flüchtlingsrecht], insbesondere von Staaten, zu ignorieren. » Zugleich würde es am Gipfel verpasst, die dringendsten humanitären Krisen zu behandeln. Als Konsequenz hat sich die Organisation aus dem Anlass zurückgezogen.

…letztendlich aber notwendig

Nichtsdestotrotz sollte jedoch bedacht werden, dass die Staaten diesen Herausforderungen alleine nicht mehr wirkungsvoll entgegentreten können. Vielmehr sind die Staaten bei der Lösung dieser globalen Herausforderungen aufeinander angewiesen. So ist diese Konferenz, auch wenn ambitiös erscheinend und nicht frei von – teilweise berechtigter – Kritik ist, eine grundlegend um solche Ziele zu erreichen. Oder wie es auf einer Homepage des UNDP (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen) ausgedrückt wurde: «We must keep in mind that the World Humanitarian Summit will be a beginning, not an end.»