Weltweit überschlagen sich die Kommentatoren mit Versuchen das amerikanische Einreiseverbot gegen Staatsangehörige aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern zu deuten. Dabei ist das Dekret des neuen US-Präsidenten Ausdruck einer tiefer liegenden Auseinandersetzung zwischen zwei Lagern.
Vermutlich verfolgt Trump mit dieser Exekutivanordnung verschiedene Absichten. Bereits im Wahlkampf drohte er, Muslimen die Einreise in die USA erschweren zu wollen. Da die Mehrheit der Muslime aber nicht vom Einreisestopp betroffen ist, kann angenommen werden, dass auch sicherheitspolitische Überlegungen eine Rolle spielten. Die Bürger der sieben betroffenen Staaten scheinen in der Vorstellung des amerikanischen Präsidenten ein besonders hohes Sicherheitsrisiko zu sein.
Die Anordnung geht also von stark vereinfachten Prämissen aus. Deshalb ist nicht damit zu rechnen, dass durch das Einreiseverbot die Sicherheitslage in den USA verbessert wird. Etwas ganz anderes erreicht Trump aber damit: Seine Wähler werden mit einer populistischen Massnahme zufriedengestellt. Eine scheinbar einfache Lösung für ein komplexes Problem.
Der österreichisch-ägyptische Journalist Karim El-Gawhary kommentierte: „Ich glaube ja, der Islamische Staat (IS) lacht sich ins Fäustchen wegen Trumps Einreiseverboten. Sie lieben das, wenn zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen gespalten wird. Das entspringt ganz dem IS-Al-Kaida-Denkmuster.“
Dieser Gedankengang führt in die Richtung, wie diese Anordnung einzuordnen ist. Trump steht für ein reaktionäres Weltbild. Reaktionär in dem Sinne, dass eine rückwärtsgewandte Haltung vertreten wird. Bereits im Wahlkampf war sein zentrales Thema der Zustand der Vereinigten Staaten, welcher früher angeblich besser war und den er erneut herstellen will („Make America great again!“). Ähnliches propagieren islamistisch-reaktionäre Gruppen wie der IS oder Al-Kaida, welche ihr Ideal in der Ära der rechtgeleiteten Kalifen (632 – 661 n.Chr.) festmachen und zu dieser Verfassung zurückkehren möchten.
Die westlichen und islamischen Reaktionäre stehen sich zwar verfeindet gegenüber, dennoch bedingen sie sich gegenseitig. Im amerikanischen Wahlkampf spielte die Islamophobie und die überhöhte Angst vor islamischen Terror eine wichtige Rolle und wurde von Trump schonungslos instrumentalisiert. Umgekehrt erhalten Gruppen wie der IS durch die amerikanische Ausgrenzungspolitik neuen Zulauf. Trumps Politik hilft mit, dass sich die Klasse der Marginalisierten in der islamischen Welt vergrössert. Genau dort fischt der IS seit Jahren erfolgreich.
Ist der Feind meines Feindes mein Freund?
Das Vernünftigste, was Gegner der westlichen und islamischen Reaktionäre machen können, ist einen Mittelweg zu vertreten. Die reaktionären Lager werden es nicht schaffen, eine lebenswerte Gesellschaft aufzubauen. Viel zu sehr sind sie auf Feindbilder angewiesen, um ihre hasserfüllte Ideologie nach innen durchzusetzen. Im Denken der Reaktionäre gilt das Motto: „Entweder du bist mit uns oder gegen uns.“
Ein häufig begangener, schwerer Fehler ist, dass Gegner der westlichen Reaktionäre Verständnis für islamische Reaktionäre zeigen, was meist dann geschieht, wenn sie in der Debatte in die Defensive gedrängt werden. Wenn umgekehrt liberale Kreise in der muslimischen Welt Hoffnungen in Trump setzen, weil sie sich etwa ein entschlossenes und nachhaltiges Vorgehen gegen den IS und andere Terrorgruppen erhoffen, führt das ebenfalls in eine Sackgasse. Was wir dafür brauchen, sind direkte Kanäle zwischen gemässigten Kräften auf beiden Seiten. Die Akteure, welche für gemeinsame Werte und eine bessere Verständigung stehen, müssen direkt miteinander zusammenwirken. Nur so kann ein besseres Miteinander erzielt werden.