Von David Kaufmann – Illegalisiert man Migration, fördert man Armut. Gerade darum sollte der Zugang in regulierte Arbeitsmärkte erleichtert und Arbeitsmigranten rechtlich und sozial eingebunden werden. Solche Ziele gehören in eine nachhaltige Entwicklungsagenda.
Dieser Beitrag und Teil einer Blog-Reihe zu den Sustainable Development Goals (SDG). Diese Blog-Reihe reflektiert bis Mitte Oktober verschiedene Aspekte dieser zukünftigen Entwicklungsagenda.
Weltweit gibt es etwa 232 Millionen Migranten – Tendenz steigend. Davon profitieren eine Milliarde Menschen direkt.Rimessen, Geldüberweisung von Migranten in ihr Herkunftsland, übersteigen die weltweiten Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit um das drei- bis vierfache. Verschiedene Berichte und Deklarationen betonen in Auswertungen der Millennium Development Goals (MDG), dass Migration für die Erreichung von einzelnen Zielen entscheidend war, ohne als konkretes Ziel erwähnt zu sein. Doch die positiven Auswirkungen von Migration werden oft übersehen.
“We know migration reduces poverty on an extraordinary scale”
(Ban Ki Moon, 2013)
Wandert ein Mensch ein oder aus, bedeuten dies nicht ein Scheitern im Heimatland oder gar ein Abweichung eines anzustrebenden Normzustandes. In der Dhaka Deklaration werden Migrantinnen und Migranten explizit als Akteure der Entwicklung verstanden. Auch die Schweiz steht als Co-Leiterin der UN-Konsultation zur „Bevölkerungsdynamik“ zumindest auf internationaler Ebene für eine solche Betrachtungsweise von Migration ein. Migration ist ein proaktives Erfolgsmodell, für Herkunfts- wie auch Empfängerländer, welches ermöglicht werden sollte.
Transversaler Ansatz als Chance?
Vorschläge von internationalen Foren für mögliche Sustainable Development Goals (SDG) erwähnen keine Migrationsziele (siehe Corporate Sustainability Report von Global Compact und High Panel Report der Vereinten Nationen). Eine Aktions-Agenda, initiiert von MDG-Pate Jeffrey Sachs, setzt mit ihrem Subziel (target) 7a wenigstens die soziale Inklusion aller Stadtbewohner auf die Agenda, wovon Migranten besonderes profitieren würden.
Es sieht also so aus, dass spezifische Migrationsziele nicht in den SDGs verankert werden. Die Schweiz favorisiert ihrerseits einen transversalen Ansatz: Migration wird nicht als konkretes Ziel formuliert, in anderen Zielen jedoch als Subziel (target) berücksichtigt. Anbieten würden sich diese in den zwei Themenbereichen Arbeitsplätze und Nachhaltige Städte.
Möglichkeiten eröffnen – Repressionen abbauen
Möglichkeiten von legalen Arbeitsmarktzugängen sind eine logische Konsequenz der Anerkennung der positiven Effekte von Migration. Eine schrittweise Öffnung der Arbeitsmärkte kann dazu beitragen, den positiven Migrationseffekt auf Entwicklung weiter zu verstärken und dem Arbeitskräftemangel durch die Alterung von Gesellschaften entgegenzutreten. Der Transfer von Ideen, Innovationen und Technologien könnten zudem vorangetrieben, sowie die negativen Effekte der Illegalisierung von Migration wie Bootsdramen und Schlepperwesen substantiell bekämpft werden. Ein konkretes Subziel könnte deshalb lauten:
- Beschränkungen des Zugangs auf regulierte Arbeitsmärkte schrittweise abbauen
Wenn Leute migrieren, ist der Bestimmungsort oft eine Stadt. Stadt-Land Migration findet innerstaatlich sowie grenzüberschreitend statt. Städte sind die globalen Wachstumsmaschinen, in denen Arbeitsmigranten in allen Arbeitssektoren benötigt werden. Für eine nachhaltige Städtepolitik ist es deshalb notwendig, „irreguläre Migranten“ durch einen Rechtstatus besser zu schützen. Die Verleihung eines Rechtsstatus für irreguläre Arbeitskräfte, wie sie viele Länder bereits in unterschiedlichem Ausmasse durchführten, würde auf einen Schlag aus informellen Arbeitskräften steuerzahlende, legitimierte Mitglieder von nachhaltigen Städten machen. Der Vorschlag für ein konkretes Subziel wäre:
- Rechtliche und soziale Inklusion von Arbeitsmigranten in Städten. Eine rechtliche Basis könnte durch die Ratifizierung der UN-Konvention zum Schutz aller Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter sowie ihrer Familiengeschaffen werden.
Auch solche Migrationssubziele haben bei der Ausarbeitung der SDG wohl einen schweren Stand. Die Schweiz könnte solche Migrationssubziele nur schwer vorschlagen, unterscheiden sich diese doch fundamental von innerpolitischen Anstrengungen, Migration zu steuern. Hier kann man generelle Problematiken der SDGs erkennen. Die SDGs bedingen ein kohärentes Zusammenführen der Innen- und Aussenpolitik durch partnerschaftliche Ziele, die über blosse Geldversprechungen hinausgehen. Die Schweizer Entwicklungspolitik ist wohl bereit, Geld zu sprechen – aber nicht, Landesgrenzen substantiell zu öffnen.
Migration, eine liberale und nachhaltige Entwicklungsagenda
Und doch wäre es eine verpasste Chance, aufgrund von nationalen Alleingängen, Anknüpfungspunkte von Migration und der Agenda für eine Nachhaltige Entwicklung aufzugeben. Migration ist ein globales, dynamisches Phänomen, welches sich nicht in den rigiden Kategorien von Entwicklungs- und Industrieländer und auf der Nord-Süd Achse denken lässt. Migration kann von staatlicher Seite nur sehr kostenreich und kurzfristig gesteuert werden und produziert als hässlicher Nebeneffekt menschliches Leid höchsten Ausmasses.
Die konzeptuelle Verschiebung weg von der Bekämpfung von Armutseffekten (MDG) hin zur Bekämpfung von Armutsursachen (SDG) schreit geradezu nach Migrationszielen. Exklusion einiger Menschen von Märkten ist eine zentrale Ursache von Armut. Davon ist die Exklusion von Arbeitsmärkten der bedeutendste Armutserzeuger. Legaler Arbeitsmarktzugang müsste nicht über eine problematische Geber-Empfänger Beziehung erreicht werden, sondern könnte im Rahmen der SDGs auf nationaler Ebene schrittweise ermöglicht werden. Eine solche Liberalisierung ist eine Agenda für eine Nachhaltige Entwicklung, die bereit liegen würde. Zeit, sie anzustossen. Zeit, die Plombierung des Motors Migration zu entfernen.
David Kaufmann ist Doktorand in Politikwissenschaft. Er engagiert sich im Programm Migration von foraus.