Mut zur Veränderung! Demokratie und Föderalismus im Jahr 2013

Europa

Von Patrice Martin Zumsteg – Wir sind uns – gerade im Nachgang zum 1. August – einig: Demokratie und Föderalismus sind wichtige Werte der Schweiz. Doch unseren Staatsaufbau an Globalisierungstendenzen anzupassen, bedeutet nicht, die Identität der Schweiz aufzugeben.

Mit diesem Beitrag startet eine fünfteilige Blog-Reihe zum Verhältniss zwischen der Schweiz un der EU. Die Reihe versucht, den Ist-Zustand sowie Chancen und Risiken von künftigen Entwicklungen aufzeigen und zu gewichten. Während fünf Wochen wird hier jeden Donnerstag ein neuer Beitrag dazu erscheinen.

Besonders an einem 1. August wird in politischen Reden – zu Recht – an die Schweizer Entstehungsgeschichte und an unsere Errungenschaften erinnert. Hierbei fallen dann unweigerlich die Begriffe Demokratie und Föderalismus. Begriffe, die in der heutigen politischen Diskussion häufig als Abgrenzungsmerkmale gegen aussen benutzt werden. Die Schweiz begreift sich allzu oft als Schutzbündnis, das eigene Werte und Interessen in einem Kleinstaat organisiert und gegen das Fremde verteidigt. Besonders akut wird diese Haltung, wenn über die europäische Integration und eine weitere Annäherung der Schweiz an die EU gesprochen wird. Fast schon apodiktisch meint die politische Rechte, der schweizerische Staatsaufbau wie – und dies ist wohl das entscheidende – auch das schweizerische Selbstverständnis seien mit dem Supranationalismus der EU unvereinbar.

Der breite Konsens, der diesbezüglich existiert, ist auf die geschichtlichen Gegebenheiten in der Schweiz zurückzuführen. Die Entwicklung des heutigen Bundesstaates aus der Helvetischen Konföderation und die spezifische Ausprägung der Demokratie aus den Landsgemeinden und den politischen Kulturen in den Kantonen heraus sind Prozesse, die Jahrhunderte gedauert haben. Gleichwohl dürfen diese Errungenschaften heute den Blick auf die Realitäten, welche die Schweiz umgeben, nicht verstellen. Globalisierung und Internationalisierung sind Bewegungen, denen sich ein wirtschaftlich vernetztes Land nicht entziehen kann – und dies auch nicht darf, will es sich nicht selbst ins Abseits stellen. Die Geschichte der Schweiz ist zudem auch eine europäische Geschichte. Die Schweiz ist geographisch, wirtschaftlich und kulturell ein Teil Europas. Sie ist dies aber auch politisch: Wir sind heute von Rechtsstaaten und Demokratien umgeben, deren Genese die Schweiz mitgeprägt haben und weiter mitprägen. Nicht zufällig wird heuer über eine bessere Vereinbarkeit des Rechtsstaats mit den direktdemokratischen Instrumenten, über den automatischen Informationsaustausch und über die institutionellen Fragen debattiert.

Das alles muss dazu führen, dass die schweizerische Aussenpolitik nicht allein auf der Bewahrung einer schweizerischen Identität beruhen darf, sondern einen holistischen Ansatz verfolgen muss. Die Werte, welche die Bundesverfassung und der damit aufs engste verbundene Konsens der Bevölkerung vorgeben, können Grundlage einer solchen Politik sein. Die Schweiz soll durchaus solide auf den Werten stehen und beharren, welche sie ausmachen – der Blick muss dabei aber nicht vor allem auf diese, sondern über die Grenze hinaus gerichtet sein. Die Ausgestaltung von Demokratie und Föderalismus in der Schweiz ist nicht in Stein gemeisselt. Beide können und sollen angepasst werden, wenn dies mit Blick auf die Interessen der Schweiz oder globale Entwicklungen notwendig ist.

 

Patrice Martin Zumsteg ist Jurist und lebt in Zürich. Er leitete bei foraus das Programm Europa.

Der foraus-Blog ist ein Forum, das sowohl den foraus-Mitgliedern als auch Gastautoren/innen zur Verfügung gestellt wird. Die hier veröffentlichten Beiträge sind persönliche Stellungnahmen der Autoren/innen Sie entsprechen nicht zwingend der Meinung der Redaktion oder des Vereins foraus.