Tour de Suisse «Neuland»: Migrations.Stadt.Basel – Eine Bestandesaufnahme

Entwicklungspolitik

Migration

Wir alle überwinden Grenzen. Unsere Stadt ist geprägt von den Bewegungen der Menschen in der Vergangenheit und der Gegenwart. Doch wie denken wir unsere Zukunft? Das innovative Format «Human Library» ermöglicht den Austausch. Auf dem Weg durch die Schweiz hält die Tour in Basel. Eine Zusammenfassung der Diskussion lest ihr hier im foraus-Blog.

«Migration ist ein Schlagwort, auf welches der geübten Politikerin oder dem geübten Politiker gleich die altbewährten Phrasen einfallen…». So Michael Tschäni, der Regioleiter von foraus Basel, bei der Eröffnung des im Rahmen der foraus «Tour de Suisse – Neuland» durchgeführten Anlasses «Migrations.Stadt.Basel». Ziel der Veranstaltung war es, altbekannte Denkgewohnheiten im Schweizer Migrationsdiskurs aufzubrechen und einen Überblick aus unterschiedlichen Perspektiven zu bieten. Im Zentrum stand die Frage, welche Bedeutung Migration für die Stadt Basel hatte, hat und in Zukunft haben wird. An fünf Tischen sassen jeweils eine Expertin oder ein Experte mit besonderen Kenntnissen und Erfahrungen zu einem Teilaspekt der «Migrations.Stadt.Basel». Zu ihnen konnte sich das interessierte Publikum hinsetzen, und nach einem kurzen Bericht mit diesem Experte oder Expertin diskutieren. Nach etwa 20 Minuten wurde die Runde geschlossen und man konnte sich an einen anderen Tisch zu einem anderen Experten setzen. Im Folgenden: Einige die besprochenen Aspekte.

 

Welt-, Chancen-, Diversitäts-Stadt Basel

«Leben Expats in einer Parallelwelt?» Francesca Incociatti von Centrepoint, dem Club für die Integration von Expats, verneinte diese Frage in der Diskussion zu Welt.Stadt.Basel. Centrepoint leistet Expats unterschiedliche Hilfestellung bei ihrer Ansiedlung in Basel. Die Hilfe reicht von Deutsch- und Dialektkursen, Informationen in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber, bis zum Eintauchen in basler Traditionen, etwa der Fasnacht. Dabei bezieht Centrepoint auch Basler und Baslerinnen in seine Arbeit mit ein. Er setzt sich aus Menschen aus über 50 Nationen, welche über 20 Sprachen sprechen zusammen. Grundsätzlich ist die Integration von Expats ein Prozess, der sehr lange Zeit in Anspruch nimmt und viel Geduld verlangt. Wichtig dabei ist, den Fokus besonders auf die Erwachsenen zu legen. Denn diese haben oft grössere Hemmungen, den direkten Kontakt mit der Lokalbevölkerung zu suchen. Ohne Erwerb der Sprache findet keine Integration und Teilhabe statt.

Am Tisch zur Chancen.Stadt.Basel, debattierte Anton Gjergjaj mit den interessierten Gästen über die Möglichkeiten und Schwierigkeiten von Neuzugewanderten in Basel, die sich selbstständig machen wollen. Er selbst führt ein Lebensmittelgeschäft und steht der IGFamilienbetriebe vor. Dieser Verein setzt sich politisch für die über 200 Familienbetriebe in Basel ein, und macht sich hierbei vor allem auch für ein gutes Verhältnis der Familienbetriebe untereinander und mit den Behörden stark. So sei in Basel, nebst der anwachsenden Bürokratie, die grösste Schwierigkeit für Selbstständige, eine gute Balance zwischen Familie und Beruf zu finden. Gjergjaj betonte jedoch auch, dass Basel in dieser Hinsicht eine vorbildliche Stadt sei, und er sich nicht über die Vorschriften beklagen wolle.

Unter dem Titel Diversitäts.Stadt.Basel wurde die Frage diskutiert, inwiefern der Vielfalt gelebter Glaubensvorstellungen Konfliktpotentiale innewohnen. Die Expertin Dr. Lilo Roost Vischer war bis Juli 2017 Koordinatorin für Religionsfragen von Basel-Stadt und hat den Runden Tisch der Religionen beider Basel aufgebaut. Nach ihrer Erfahrung, existieren zwei konfliktfördernde Faktoren: Die mediale Zuspitzung religiöser Themen, sowie jene internationaler Konflikte. Während der Diskussion wurde erörtert, ob durch die öffentlich-rechtliche Anerkennung von Moscheevereinen eine positive, integrative Wirkung erreicht werden kann, und wie mit problematischen islamistischen Gruppen umgegangen werden soll. Weitere Themen waren die Kriterien, wonach Vertreter von Glaubensgemeinschaften zum Runden Tisch eingeladen werden, sowie Lösungsansätze für sprachliche Verständigungsprobleme.

 

Humanitäres & Grenzen

Im Gespräch mit Renata Gäumann, seit 15 Jahren Koordinatorin für das Asylwesen des Kantons Basel, zeigte sich das grosse Interesse der Anwesenden für das Schweizer Asylwesen. Nachdem Gäumann das, wie sie betonte, «humanitär wohl vertretbare» Basler Asyl-Modell vorstellte, konnten im offenen Gespräch über die Humanitäre.Stadt.Basel in der kleinen Runde viele Verständnis- und Informationsfragen geklärt werden: Wie unterschiedlich das Asylwesen von Kanton zu Kanton gehandhabt wird, gerade weil sich die Kantone nicht nur geographisch, sondern insbesondere strukturell, kulturell und politisch unterscheiden. Dass Personen, die sich im Asylverfahren befinden, möglichst schnell integriert werden sollten – und zwar durch eine Arbeitserlaubnis. Dass die Nothilfe für Personen mit abgelehnten Asylgesuchen zu äusserst prekären Lebensbedingungen führt und nicht haltbar ist. Während einige Teilnehmende nach best practices fragten, kritisierten andere das Mandat der Privatunternehmen Asylsuchende unterzubringen. Die politische Zusammensetzung der Kantonsregierung, hat direkten Einfluss auf die Lebensbedingungen und die Integrationschancen von Asylsuchenden in der Schweiz.

«Grenzen als Chance» war die einleitende These von Dr. Manuel Friesecke, dem Geschäftsführer des Vereins Regio Basiliensis. Mit eindrücklichen Zahlen eröffnete er dann die Diskussion zur Grenz.Stadt.Basel: So leben beispielsweise 900’000 Menschen in der Regio Basiliensis, 70’000 Grenzgänger leben in einem Land, arbeiten aber in einem anderen; von den Erwerbstätigen in Basel sind 20 Prozent Grenzgänger, und 24 Prozent aller Studierenden an der Universität Basel haben keinen Schweizer Pass. Auf dieser Grundlage wurde die Rolle und Bedeutung der Lage Basels im Dreiländereck besprochen. Es wurde festgestellt, dass Grenzen zwar Hindernisse, aber auch Grundlage für die grosse Diversität in der Region darstellen. Allerdings mache es keinen Sinn, Grenzen verschieben oder ganz aufheben zu wollen, da dadurch unwillkürlich neue Grenzen woanders gezogen werden. Vielmehr sollte es darum gehen, die existierenden Grenzen zu überwinden, etwa im Bereich Verkehr, der Wirtschaft und auch der Bildung. Die Grenzen der Oberrheinregion sollten als «Nahtstellen» Europas gesehen werden.

Im Ergebnis wurde an diesem Abend einmal mehr die enge Verflechtung von Migration, Lage im Dreiländereck als Grenzstadt und die Vielfältigkeit und Erfolg der Migrations.Stadt.Basel sichtbar. forausBasel dankt allen Expertinnen, Experten, allen mitdiskutierenden Gästen, František Matouš für die Fotos, der Regio Basiliensis für die Unterstützung unserer Veranstaltung sowie der Ausstellung magnet.basel, die uns zur Inspiration diente.