Von Georgiana Ursprung – Da sich auf Verhandlungsebene nichts Richtung Frieden bewegt, ist die internationale Anerkennung Palästinas zu unterstützen. Doch birgt der Antrag um internationale Aufwertung der Palästinas die Gefahr, den Nahostkonflikt weiter anzuheizen.
Selbstbild Israels und der Welt
Der israelische Staat sieht sich als sicheren Hort für alle Juden, die seit dem Beginn der jüdischen Diaspora vor mehr als zweitausend Jahren weltweit verfolgt worden sind. Das Bedürfnis nach einer sicheren Heimat ist mehr als verständlich. Durch die israelische Regierung wird jedoch ein Zionismus propagiert, der sich ausschliesslich auf die eigene Leidensgeschichte und daraus ableitend auf die bedingungslose Abwehr der aktuellen Bedrohungen Israels beschränkt.
Bedingungslos Stärke demonstrieren
Der Zionismus schuf im Zuge des Sozialdarwinismus Ende des 19. Jahrhunderts, und später verstärkt durch das Trauma des Holocaust, ein neues Bild des starken Juden, der sich zu verteidigen weiss und keine Demütigung mehr hinnehmen wird. Das Bedürfnis nach einem solchen Selbstbild ist nachvollziehbar, macht in der Extremform aber blind für die realistische Einschätzung der Umwelt, für Empathie mit anderen und macht glauben, dass alles was dem Feind nützt einem selbst schadet. Die israelische Regierung ist daher nicht in der Lage einzugestehen, dass ein palästinensischer Staat eine wichtige Voraussetzung für die Sicherheit Israels und somit ein vitales israelisches Interesse darstellt.
Belastetes Verhältnis mit der UNO
Besonders seit der Verurteilung der Besatzung palästinensischer Gebiete 1967, aber auch durch zahlreiche weitere gegen Israel gerichtete Resolutionen, ist das Vertrauen Israels in die UNO ins bodenlose gesunken. Das Land sieht die internationale Kritik als Beweis, dass es sich auf niemanden als sich selbst verlassen kann. Die Anerkennung Palästinas als unabhängigen Staat durch die internationale Staatengemeinschaft wird den Eindruck der Israelis, dass die ganze Welt ihnen gegenüber feindlich gesinnt ist, weiter verstärken. Israel wird noch überzeugter alles unternehmen, was es zur Wahrung der eigenen Sicherheit kurzfristig als nötig erachtet, unabhängig davon, ob dies gegen internationales Recht verstösst, oder von den westlichen Staaten gebilligt wird.
Traumabedingtes Sicherheitsbedürfnis
Das grosse Bedürfnis Israels an Anerkennung und Unterstützung wird von den westlichen Staaten nicht ernst genug genommen. Die traumatische Geschichte der Juden, aber auch die prekäre Sicherheitslage im Nahen Osten, die geringe Fläche und geographische Lage Israels führen zu einem grösseren Bedürfnis an Sicherheit, als es sich europäische Staaten gewohnt sind. Erst wenn Israel die Unterstützung der Staatenwelt für die Sicherheit des Staates innerhalb der international anerkannten Grenzen hinter seinem Rücken spürt, kann es seine angstgetriebene Sichtweise zu Gunsten von längerfristigen, kooperationsorientierteren Haltungen ablegen. Die Expansionspolitik rechts-nationalistischer Ideologen kann nur auf breite Unterstützung zählen, weil sie fadenscheinige Sicherheitsargumente vorschieben um ihre wahren Intentionen zu verbergen. Die Mehrheit der Israelis ist bereit, die Besatzung zu beenden, wären sie sich sicher, dass ihre Sicherheit dennoch gewährleistet ist.
Was kann die internationale Staatengemeinschaft konkret tun?
Es braucht eine Veränderung der Rhetorik, welche nebst der Illegitimität der israelischen Besatzung Palästinas konstant die Unterstützung des international anerkannten Gebietes Israels zusichert. Nur so kann in Israel die Bereitschaft gedeihen, konstruktiv auf die Kritik seiner expansionistischen Politik einzugehen. Weiter entschärft würden die Ängste Israels mit konkreten Beistandszusagen im Falle einer akuten Bedrohung seines legitimen Staatgebiets, wie sie die Mitgliedschaft bei der NATO bieten würde. Die Weltgemeinschaft muss nationalistischen Populisten das Wasser abgraben, die Israel gerne als Opfer darstellen, das von der feindseligen Welt in die Ecke getrieben wird. Mit oder ohne internationaler Anerkennung eines Palästinensischen Staates: Israel wird die Besatzung Palästinas solang nicht aufgeben, wie ihre Politik einzig von Angst angetrieben ist.
Georgiana Ursprung studierte Konfliktlösung und Mediation in Tel Aviv nach einem Bachelor Studium in Politikwissenschaft an der Universität Zürich.
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