Die Ukraine-Krise hat die OSZE wieder zum Leben gebracht. Doch zwei Jahre nach deren Ausbruch bleibt Zukunft der OSZE aber offen: Stärkung durch Reform oder Beibehaltung des Status quo mit dem Risiko ausser Gebrauch zu kommen?
Die OSZE steht an einem entscheidenden Punkt: Entweder wird sie in den nächsten Monaten einen Weg finden, um sie sich zu erneuern und wieder ein relevanter Player auf dem internationalen Parkett zu sein; oder sie wird den Zustand vor der Ukraine-Krise zurückfallen, als eine diskrete multilaterale Organisation, als Restbestand des Kaltes Kriegs. Die zweite Voraussage ist zwar die einfachere und leider auch die plausiblere. Aber trotz allem ist langfristig eine Erneuerung der OSZE möglich. Zwei Bedingungen sind in diesem Fall nötig: eine Reform der OSZE-Organe und eine Stärkung des operationellen Engagements.
Es gab in den letzten Jahren ein paar Reformversuche wie beispielsweise der Helsinki+40-Prozess oder die Arbeit des Panel of Eminent Persons on European Security as a Common Project der von der Schweiz im Dezember 2014 lanciert wurde (das Panel hat im Dezember 2015 seine Empfehlungen in seinem final report „Back to Diplomacy“ publiziert). Kein Konsens war aber bis jetzt erreichbar. Beide Blöcke haben zu unterschiedliche Visionen für die OSZE. Das Konzept der konsekutiven schweizerischen und serbischen 2014-2015 OSZE-Vorsitzes, mit einem gemeinsamen Programm, oder die Stärkung der Troika (Gremium, das aus dem ausgeschiedenen, dem derzeitigen und dem kommenden OSZE-Vorsitz besteht) sind positive Schritte in Richtung einer Verstärkung der Führungsorgane der Organisation.
Zudem hat die OSZE im 2014 vom Schweizer Vorsitz profitiert: Sie konnte als neutraler Staat zwischen den zwei Blöcken als Brückenbauerin agieren. Diese Erfahrung sollte auch für die Zukunft ein Beispiel sein. Das Prinzip des Konsens darf und soll nicht abgeschafft werden: auch wenn dieses den Entscheidungsprozess nicht vereinfacht, ist der Konsens die Stärke der Organisation. Nichtsdestotrotz sollten auch hybride – weil nicht unbedingt auf einen Konsens basierte – Verbesserungen ermöglicht sein.
Das liebe Geld
Eine andere wichtige Fragen betrifft das Budget: die OSZE braucht mehr Geld, um die erwartenden Antworten liefern zu können. Die neuen Verpflichtungen der OSZE in Ukraine verlangen, zum Bespiel, viele Ressourcen – finanziell, technologisch, menschlich, technisch – gerade in dieser Zeit, wo das Budget der Organisation stagniert und die Feldpräsenz eingeschränkt wird. Die Teilnehmerstaaten müssen konsequent sein und sich einsetzen, um die aktuelle Reduzierung des Budgets zu stoppen.
Die Ukraine-Krise hat sonst auch gezeigt, dass operationelle Engagements von der OSZE wirksam sind. Solche civilian peace operations sollten schneller aufgebaut sein können. Ohne dass sie dieselbe Arbeit wie die UNO leistet, kann die OSZE einen effizienteren und konkreteren Einsatz anbieten. Das bedeutet aber nochmals eine grosse finanzielle Unterstützung und ein klares juristisches Statut für die Organisation. Die Special Monitoring Mission in der Ukraine ist ein guter Test. Es sollte jetzt überlegt werden, inwiefern andere Fälle – wie die sogenannten eingefrorenen Konflikte – von solchen Erfahrungen profitieren können.
Ost-West-Spaltung überwinden
Die Spaltung zwischen Ost und West scheint sich aber wieder zu vergrössern, insbesondere bezüglich Fragestellungen zu Menschenrechten und Grundfreiheiten. Die Kritik vom Office for Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR) – Institution der OSZE – gegenüber Teilnehmerstaaten im Kontext der Wahlbeobachtungen ist ein Beispiel unter vielen. Die Vorwürfe von ein paar östlichen Ländern entgegen der Wiener Organisation sind seit langem dieselben: sie ist zu westlich orientiert, sie bevorzugt die menschliche Dimension und vernachlässigt die anderen zwei (Sicherheit und Wirtschaft-Umwelt). Dagegen sind das Sekretariat und die Institutionen zu stark und erlauben sich eine zu grosse Unabhängigkeit in ihren Aktionen und Stellungnahmen.
Insbesondere in der aktuellen Situation sind der Dialog und das Vertrauen das Wichtigste. Ohne diese beiden Elemente ist kein Fortschritt in der OSZE möglich. Wie während des Kalten Kriegs könnten die neutralen Staaten wieder eine spezifische Brückenbauer-Rolle übernehmen, die den Konsens durch kleine Reformschritte ermöglichen. Sie müssen aber die Gelegenheit ergreifen und sich, wie zwischen 1973 und 1975, für die OSZE einsetzen und so die Sicherheit innerhalb Europa sichern.