Seven Thinking Steps: Warum braucht die Schweiz eine starke internationale Zusammenarbeit?

Development policy

Martin Fässler – Die Schweiz ist international besonders stark vernetzt. Jeder zweite Franken wird im Ausland erwirtschaftet. Sieben Gründe gegen die Kürzung der internationalen Zusammenarbeit.

Die Finanzkommission des Nationalrates will die Mittel für internationale Zusammenarbeit um einen Viertel reduzieren. Es sprechen zumindest sieben Gründe für eine kontinuierliche Weiterentwicklung der internationalen Zusammenarbeit:

1.   Zukunftsfähige Politik.

Wie nationale Gesellschaften braucht auch eine Weltgesellschaft ein moralisches Fundament. Die UN-Mitgliedsstaaten haben sich im September 2015 – mit starkem Engagement der Schweiz – auf die Agenda nachhaltiger Entwicklungsziele geeinigt. Angesichts der rasch wachsenden wechselseitigen Abhängigkeiten der Länder besteht eine vordringliche Aufgabe der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz darin, Wohlstand, Sicherheit und Demokratie einer bald neun Milliarden-Zivilisation in den Grenzen des Erdsystems mit zu organisieren.     

2.   Aussenwirtschaft.

Die Investitionen der internationalen Zusammenarbeit in die Modernisierung der Wirtschaften armer Länder und die Stärkung endogener Entwicklungspotenziale erfolgen auch im wohlverstandenen Eigeninteresse der Schweiz. Das im Dezember 2015 vereinbarte Klima-Abkommen erfordert nicht weniger als eine weltweite Nachhaltigkeitswende. Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz kann ihr know how insbesondere in den Bereichen erneuerbare Energiequellen, klimaverträgliche Landnutzung, nachhaltige Infrastruktur, nachhaltige Gestaltung der rasanten Urbanisierung auf- und ausbauen.

3.   Partnerschaften.

Internationale Zusammenarbeit in Armuts- und Entwicklungsregionen ist eine Investition in das soziale Kapital der internationalen Gemeinschaft, um Probleme wechselseitiger Abhängigkeiten zu bearbeiten. Sie schafft Partner, mit denen OECD-Länder Probleme angehen können, die sie im Alleingang nicht zu lösen in der Lage sind. Das Klimaproblem zeigt die Herausforderungen wie unter einem Brennglas. 2050 werden 80 Prozent der Menschheit in Städten wohnen. Die rasante Urbanisierung muss von der Emission klimaschädlicher Treibhausgase, dem Ressourcenverbrauch und überlasteten Ökosystemen entkoppelt werden. Die Schweiz hat eine solide Reputation als wirtschaftlich und technologisch starker Nachhaltigkeitspionier. Die Schweiz bleibt global handlungsfähig, wenn sie Ressourcen und Personal für gemeinsame Lösungsansätze im Bereich der Armutsbekämpfung und nachhaltiger Entwicklung ausbaut.

4.   Sicherheit.

Gleichgültigkeit gegenüber den Rändern der globalisierten Welt zahlt sich nicht aus. Die Konflikte im Nahen Osten und in weiteren Weltregionen zeigen, dass eine Politik der Abschottung und zynische Nach uns die Sintflut-Haltung rasch zu einem Sicherheitsrisiko wird. Die Schweiz kann zur Stabilisierung schwacher oder zerfallender Staaten beitragen.

5.   Demokratie.

Für alle Gesellschaften gewinnen internationale Regelungen stärker an Bedeutung. Die Unterstützung von Demokratisierungsprozessen in Armuts- und Entwicklungsregionen bringt Gesellschaften voran, die eher in der Lage sind, internationale Vereinbarungen zu gestalten und umzusetzen.

6.   Innovation.

Die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele erfordert technologisch-soziale Innovationen und einen konsequenten Ausbau praxisnaher Kompetenzen in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltigkeit. Bei der Vermeidung des Klimawandels (Mitigation) zum Beispiel sind nachhaltige Lösungsstrategien, Transfers von Kapital, Technologie und Expertenwissen Schlüsselelemente. Bei der Anpassung (Adaptation) sind Erfahrung, lokales Wissen und Verständnis für politische, soziale und kulturelle Zusammenhänge wichtig. Hierzu braucht es eine enge Zusammenarbeit der Departemente, Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft wie auch eine ambitionierte internationale Zusammenarbeit.

7.   Nord-Süd Gerechtigkeit.

 Als ein bezüglich Wirtschaftsleistung abhängiges Land hat die Schweiz ein besonderes Interesse an der Verständigung der Völker. Grössere Nord-Süd-Gerechtigkeit und entschärfte Verteilungskonflikte sind heute ein Sachzwang. Internationale Zusammenarbeit mit Menschen in den Entwicklungsregionen ist notwendig, um einen  gerechten Lastenausgleich zu entwickeln.

8.   Wirksamkeit.

Probleme mit regionalen und globalen Bumerang Effekten ignorieren führt langfristig zu enormen Kosten der humanitären Hilfe.

Martin Fässler ist Berater für internationale Zusammenarbeit und unterrichtet im „CAS Internationale Zusammenarbeit. Bausteine für Leadership-Kompetenz“ der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).

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