Chinas Charmeoffensive während der Corona-Krise – eine kritische Einordnung

China, dein Freund und Helfer. So oder so ähnlich porträtiert sich China dieser Tage gerne selbst auf dem aussenpolitischen Parkett. Denn während die westliche Welt rund um Brüssel und Washington momentan alle Hände voll damit zu tun hat, die Corona-Krise und die damit einhergehenden Probleme in den Griff zu bekommen, kann China sich als Bezwinger des Virus und simultan als selbstlosen Wohltäter gegenüber in Not geratenen Staaten aufspielen.

 

Während die Fallzahlen an Covid-19 Erkrankten in Europa stetig steigen und die USA das Land mit den meisten registrierten Fällen überhaupt sind, erklärte China die Epidemie im Inland Ende letzter Woche für eingedämmt. Gleichzeitig macht sich die chinesische Regierung daran, anderen von der Corona-Krise gebeutelten Staaten Unterstützung zuzusichern. Und die Liste der Staaten, denen China die Hand reicht ist lang. Unter anderem stehen Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Serbien – wobei der Präsident Serbiens nach dem Erhalt von medizinischem Material demonstrativ die chinesische Flagge küsste – in engem Austausch mit China.

Aus geopolitischer Sicht wichtiger sind jedoch Chinas Bemühungen in Ländern des afrikanischen Kontinents und im Nahen Osten. Diese werden, nach dem die USA durch die „America first“ Strategie ein Machtvakuum hinterliess, umso stärker umgarnt mit dem Ziel, politischen Einfluss auszuüben und wirtschaftliche Vorteile zu schaffen. Gleichzeitig stellen auch chinesische Firmen Hilfe bereit. Unter anderem tun dies das von Jack Ma gegründete Multimilliarden Firmenkonglomerat „Alibaba Group“, die Jack Ma Foundation sowie die Fosun Gruppe. Gemeinsam wurden so über sechs Millionen Schutzmasken, hunderttausende Schutzanzüge und ebenso viele Test-Kits versendet.

Die Hilfeleistungen und Solidaritätsbekundungen folgen dabei allesamt dem gleichen Muster. Das dabei verwendete Narrativ lautet nämlich, dass man sich ausschliesslich für die „gemeinsame Zukunft der gesamten Menschheit einsetzt“. So wird die chinesische Regierung nicht müde zu betonen, dass das Virus weder Grenzen noch Rassen kenne und nur durch einen gemeinsamen Effort der gesamten Menschheit besiegt werden könne. Auch Jack Ma stösst ins selbe Horn und verbreitet publikumswirksam Leitparolen wie „One world, one fight”, “Together we can do this” oder „We are one“. Nicht selten sind selbst auf den Paketen mit Hilfsgütern noch Slogans aufgedruckt, eine vor wenigen Tagen nach Belgien geschickten Lieferung etwa wurde mit „l’union fait la force“ beschriftet.

Das sind zwar ehrbare Gedanken und die Menschheit sollte sich besonders in Krisenzeiten auf solche Grundsätze besinnen, man sollte aber nicht ausser Acht lassen, dass die „gemeinsame Zukunft der gesamten Menschheit“ ein normatives Konzept chinesischer Prägung ist und – in den Augen der chinesischen Führungsriege – langfristig die Erklärung der Menschenrechte ersetzen soll.“ Gemessen an den überschwänglichen Reaktionen und Danksagungen afrikanischer Regierungschefs (zum Beispiel des äthiopischen Premierministers) scheint dies zurzeit aber herzlich egal. Obwohl Europa und die USA jahrelang stärker in die Gesundheitssysteme afrikanischer Staaten investierten als China dies tat, scheint es nun als sei das – zumindest temporär – vergessen, und China vorbehaltslos als Heilsbringer akzeptiert.

All dies macht sich China nun zu Nutzen um, ganz im Gegensatz zu der Strategie Washingtons und Brüssels, das alte Sprichwort „Tu Gutes und sprich darüber“ nur allzu wörtlich zu nehmen. In chinesischen Medien wimmelt es nur so von Meldungen über die Heldentaten Chinas, die Dankbarkeit der in den Genuss von Hilfestellungen gekommenen Drittstaaten und der immer wiederkehrenden Feststellung, dass das westliche, demokratische System – ganz im Gegensatz zum autoritären chinesischen System – offensichtlich nicht fähig sei, eine solche Krise zu bewältigen. Dass man sich in der Europäischen Union erst nach zähem Ringen darauf einigen konnte, dass besonders stark von der Krise gebeutelte Mitgliederstaaten Anspruch auf finanzielle Hilfe aus dem europäischen Solidaritätsfonds erhalten, hilft der Europäischen Union in Sachen Eigenwerbung natürlich wenig bis gar nichts.

Bei all der zelebrierten Herrlichkeit seitens Chinas gilt es aber nicht zu vergessen, dass auch die chinesische Regierung erst sechs Wochen nach den ersten registrierten Krankheitsfällen ähnlich einschneidende Massnahmen ergriff, wie sie heute in grossen Teilen Westeuropas umgesetzt werden. Diesen Umstand will China, mitunter durch die beschriebene grosse Hilfs- und Charmeoffensive, lieber früher als später vergessen machen.

Man sollte also scharf zwischen den erbrachten Hilfeleistungen für Drittstaaten und dem Umgang mit Krisen – oder gar der Daseinsberechtigung politischer Systeme und Regierungsformen – unterscheiden. Denn obwohl China sich nun als Wohltäter gegenüber Drittstaaten profiliert, war der Umgang mit COVID-19 im eigenen Land, zumindest anfangs, keinen Deut besser als derjenige der westlichen Hemisphäre. Vielmehr zeigte sich dabei auch die hässliche Fratze autoritärer Systeme. Davon könnte mit Li Wenliang auch jener Arzt ein Lied singen, der schon am 30. Dezember 2019 – also über eine Woche bevor die chinesische Regierung die Existenz des neuartigen Coronavirus öffentlich eingestand – Freunde und Kollegen via den chinesischen Messenger WeChat vor eben jenem Virus warnte. Er wurde anschliessend für das „Streuen falscher Gerüchte“ von der Polizei abgemahnt und mundtot gemacht und ist leider am 7. Februar dieses Jahres an den Folgen von COVID-19 verstorben.

 

 

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