Wahlen in Griechenland: SYRIZA und die Zeit der Abrechnung

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Von Giannis Mavris – Die linke SYRIZA wurde bei den Parlamentswahlen zweitstärkste Kraft in Griechenland. Aktuelle Umfragen deuten darauf hin, dass sie in Zukunft die griechische Politik massgeblich prägen wird. Ihre Ambitionen gehen jedoch über Griechenland hinaus.

Die griechischen Parlamentswahlen vom 6. Mai wurden zu einer Überraschung. Dass dabei die traditionell stärksten Parteien in Griechenland heftig abgestraft wurden, konnte erwartet werden – nicht allerdings der kometenhafte Aufstieg von SYRIZA.

Als Wahlbündnis wurde sie 2004 gegründet, mit klar linken und ökologischen Forderungen. Über dreizehn Parteien und Organisationen sowie zahlreiche Einzelpersonen sind darin vertreten, von Sozialdemokraten bis hin zu diversen kommunistischen Kleingruppen.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs leistete sich die kommunistisch beeinflusste griechische Linke ein Jahrzehnt der ideologischen Grabenkämpfe. Erst um die Jahrtausendwende gab es wieder Anstrengungen, die eigenen Differenzen zu überwinden und sich zu vereinigen.

Wut und mangelnde Alternativen

Die SYRIZA – selber das Ergebnis einer stark zerstrittenen Linken in Griechenland – profitiert heute vor allem von der gesamthaft heillos zerstrittenen politischen Landschaft Griechenlands. Die beiden altgedienten Parteien ND (Konservative) und PASOK (Sozialisten) werden von weiten Teilen der Bevölkerung verantwortlich gemacht für die nationale Misere und die übrigen Parteien sind entweder Abspaltungen der beiden oder gelten als zu extrem.

SYRIZA hat nun einerseits von der vorherrschenden Wut profitiert, andererseits auch von der Tatsache eine relativ neue Kraft zu sein. Als jahrelang konsequente Kritiker der griechischen Politik und Wirtschaft gelten SYRIZA-Vertreter als vergleichsweise integer – trotz ihrer Nähe zu diversen mächtigen Gewerkschaften.

Die Tatsache, dass das Bündnis aus zahlreichen kleinen Parteien und Organisationen entstand, wurde auch als Vorteil gesehen. Klientelismus ist fester Bestandteil der griechischen Politik, Loyalität gegenüber einer Partei war oft nicht nur vorteilhaft, sondern geradezu nötig. Im Vergleich zu den etablierten Parteien ist SYRIZA bisher kaum für solche Seilschaften bekannt.

Forderungen nach Neuverhandlungen

Dass Alexis Tsipras, der Vorsitzende von SYRIZA, sich einer Koalitionsregierung verweigerte, hat Signalwirkung. Wäre das Bündnis, als es die höchsten Wahlanteile seiner Geschichte erhielt, sofort eine Koalition mit den so lange kritisierten Parteien eingegangen, hätte es ebenfalls damit rechnen müssen, umgehend vom Wählervolk wieder abgestraft zu werden. Die Zeit bis zur neuen Wahlrunde hat er nun auch konsequent dazu benutzt, sowohl im In- wie im Ausland für seine Forderungen zu werben.

SYRIZA hat die Sparmassnahmen von Beginn weg kritisiert und fordert selbstbewusst Neuverhandlungen der Hilfsmassnahmen. Neben ideologischen Vorbehalten steckt auch wahltaktisches Kalkül dahinter: Angesichts der katastrophalen Wirtschaftslage werden die Griechen keine Partei wählen, die den jetzigen Kurs vorbehaltslos weiterführen würde. Immer mehr sehen die Sparpolitik als gescheitert an und unterstützen die Forderungen nach Wachstum statt blossem Sparen. Durch den Wahlsieg der Sozialisten in Frankreich sehen sie sich zusätzlich in ihrem Ansinnen gestärkt.

Insofern hat SYRIZA bereits einen ersten Erfolg verbuchen können: Zahlreiche weitere Parteien haben in der Kritik zur Austeritätspolitik nachgezogen und verlangen, mit unterschiedlicher Vehemenz, ebenfalls Neuverhandlungen des Sparpakets. In diesem Punkt haben sich die griechischen Parteien aller Differenzen zum Trotz ein Stück weit angenähert.

SYRIZA betonte stets ihre proeuropäische Ausrichtung und pflegt gute Beziehungen zu linken Parteien in anderen Staaten. Werden die Wahlen vom 17. Juni in Griechenland zu einem europaweiten Umdenken führen, zu einer Abkehr von der reinen Sparpolitik hin zu einer wachstumsorientierten Politik?

Giannis Mavris kam in Griechenland zur Welt und studiert European Studies im Center for European and International Studies an der Universität Basel. Er ist Mitglied von foraus.

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