Zur Asylgesetzreform: Worüber stimmen wir am 9. Juni ab?

Migration

Claudia Schwarzenbach Am 9. Juni 2013 kommen die dringlichen Änderungen des Asylgesetzes vors Volk. Was beinhalten diese Änderungen und welchen Einfluss haben sie auf das Asylsystem der Schweiz?

Das Schweizer Asylwesen soll tiefgreifend reformiert werden. In erster Linie geht es dabei um eine Beschleunigung der Asylverfahren. Die Reform soll bis 2015 umgesetzt werden. Im vergangenen September entschied das Parlament, einige Gesetzesänderungen für dringlich zu erklären. Diese Änderungen sind somit bereits in Kraft, obwohl gesamthaft über die Reform noch nicht entschieden wurde. Da eine Koalition von NGOs und linken Parteien das Referendum gegen diese dringlichen Änderungen ergriffen hat, kommen sie nun am 9. Juni vors Volk.

Im Vorfeld der Abstimmung sind insbesondere zwei Gesetzesänderungen umstritten: die Abschaffung der Möglichkeit, auf einer Schweizer Vertretung im Ausland ein Asylgesuch einzureichen, sowie die Regelung, dass Wehrdienstverweigerung und Desertion nicht als Asylgründe anerkannt werden.

Abschaffung von Auslandgesuchen

Die Abschaffung von Auslandgesuchen schränkt den Zugang zum Asylverfahren ein. Asylsuchende können nur noch in der Schweiz oder an einer Schweizer Grenze ein Asylgesuch einreichen und nicht mehr wie zuvor bei Schweizer Vertretungen im Ausland. Zwischen 2008 und 2012 wurden aufgrund von im Ausland eingereichten Gesuchen 1786 Einreisebewilligungen erteilt. Pro Jahr reisten somit durchschnittlich 357.2 Personen aufgrund eines Auslandgesuches in die Schweiz.

Dieser Zahl von 357.2 Einreisebewilligungen pro Jahr steht die Zahl von 17‘867 Asylgesuchen gegenüber, die im gleichen Zeitraum durchschnittlich pro Jahr innerhalb der Schweiz eingingen. Nur ein verschwindend kleiner Teil der sich hier aufhaltenden Asylsuchenden reiste somit durch ein im Ausland gestelltes Gesuch in die Schweiz ein. Es erstaunt daher, dass Befürworter der Gesetzesänderungen in ihrer Argumentation betonen, dass mit dieser Massnahme die Attraktivität der Schweiz als Asylland gesenkt werden soll. Offensichtlich hat die Gesetzesänderung nur einen minimalen Effekt auf die Zahl der hier anwesenden Asylsuchenden. An der Verstopfung des Asylsystems wird sie kaum etwas ändern.

Dem gegenüber steht die grosse Bedeutung von Auslandgesuchen für die betroffenen Personen. Die Bundesrätin Simonetta Sommaruga versprach, dass Personen, die an Leib und Leben gefährdet sind, weiterhin Schutz durch die Schweiz erhalten werden. Sie können ein humanitäres Visum beantragen. Bisher wurden lediglich vier solcher Visa erteilt. Wie viele Gesuche eingereicht wurden, ist nicht bekannt. Diese Zahl von vier ausgestellten Visa in einem Zeitraum von sechs Monaten wirft zumindest die Frage auf, ob das Versprechen der Bundesrätin eingehalten werden kann.

Wehrdienstverweigerung und Desertion als Asylgründe

Die ebenfalls für dringlich erklärte Bestimmung, dass Wehrdienstverweigerung und Desertion nicht als Asylgrund anerkannt werden, stellt gemäss der Bundesrätin eine Präzisierung des geltenden Rechtes dar. Asylsuchende, die in der Heimat wegen Wehrdienstverweigerung an Leib und Leben bedroht sind, werden nach wie vor Asyl erhalten. Dies hat in der Praxis zur Folge, dass sich an den Entscheiden in solchen Fällen nichts ändert. Wer vor der Gesetzesänderung Asyl erhalten hätte, erhält weiterhin Asyl und nicht, wie teils behauptet, eine vorläufige Aufnahme. Weshalb also ist eine solche Präzisierung des Gesetzes nötig?

Auch hier geht es gemäss den Befürwortern um die Attraktivität der Schweiz. Sie sind im Gegensatz zum Bund der Ansicht, dass durch dieses neue Gesetz Personen vom Asylsystem ausgeschlossen werden können. Damit sollen mehr Ressourcen vorhanden sein für diejenigen, die „wirklichen Schutz“ benötigen. Einerseits gilt es dazu festzuhalten, dass es in diesem Zusammenhang insbesondere um Gesuche von Personen aus Eritrea geht. Diese machen meist Wehrdienstverweigerung oder Desertion als Asylgrund geltend. Da der eritreische Staat diese Vergehen unverhältnismässig hoch bestraft, sind die betreffenden Personen an Leib und Leben bedroht. Damit erfüllen sie die Flüchtlingseigenschaft und benötigen den Schutz der Schweiz. Andererseits hat die Gesetzesänderung keine Auswirkung auf die Praxis der Asylgewährung. Weshalb also machen Politiker diese Äusserungen? Geht es vielleicht darum, dem Stimmvolk eine nicht-vorhandene parlamentarische Handlungsfähigkeit zu verkaufen, im Angesicht einer zunehmend negativ bewerteten Zuwanderung?

Weitere Änderungen des Asylgesetzes

Neben diesen umstrittenen Änderungen gibt es solche, welche direkter auf die Beschleunigung der Verfahren abzielen. Dazu gehört die Möglichkeit des Bundes, eigene Bauten für maximal drei Jahre als Asylunterkünfte zu nutzen, ohne dazu eine Bewilligung durch Gemeinden oder Kantone zu benötigen. Dadurch soll einerseits das Platzproblem in den Bundesunterkünften angegangen werden. Andererseits geht man davon aus, dass die Verfahren beschleunigt werden können, wenn Asylsuchende länger in der Verwaltung des Bundes bleiben. Um schnellere Verfahrensabläufe zu erproben, kann der Bund neu während zweier Jahre einen Testbetrieb betreiben. Ferner kann der Bund in eigenen Unterkünften Beschäftigungsprogramme ausbauen, was nötig sein wird, wenn mehr Asylsuchende in Bundesunterkünften untergebracht sind. Zudem verkürzte das Parlament die Beschwerdefristen auf fünf Tage bei Entscheiden, die Gesuchsteller aus Staaten betreffen, welche vom Bundesrat als verfolgungssicher eingestuft werden.

Schliesslich regelt das Gesetz neu die Unterbringung von renitenten Personen in besonderen Zentren. Dabei sollen renitente Personen getrennt von anderen Asylsuchenden untergebracht werden. Hier gilt es zu betonen, dass renitente Personen nicht gleichzusetzen sind mit straffälligen. Renitentes Verhalten heisst lediglich, dass eine Person sich den behördlichen Anordnungen in irgendeiner Form widersetzt. Das neue Gesetz ist insofern problematisch, als das Asylgesetz zum Schutz von Personen erlassen wurde. Es liegt nicht am Asylgesetz, das Strafgesetz zu ergänzen. Zudem bleibt die Auswirkung dieser Massnahme auf die Beschleunigung der Verfahren umstritten.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass nur einige der dringlichen Änderungen des Asylgesetzes direkt auf eine Beschleunigung der Verfahren abzielen. Auf der anderen Seite sind zwei Änderungen in der Vorlage enthalten, die den Zugang zum Asylsystem begrenzen sollen. Dabei geht es gemäss den Befürwortern in erster Linie darum, die Schweiz als Asylland unattraktiv zu machen und damit die Zahl der Gesuche zu senken. Wie die oben aufgeführten Überlegungen zeigen, sind die Gesetzesänderungen dafür gänzlich ungeeignet.

Claudia Schwarzenbach arbeitet im Asylbereich und engagiert sich im foraus-Programm Migration.

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