Dialog über Dialoge: Vom Nutzen des Diskussionspapiers zu den Menschenrechtsdialogen – Eine Replik zur Kritik von humanrights.ch

Völkerrecht

Von Alexander Spring und Andreas Kind – Am 10. Dezember veröffentlichte foraus ein Diskussionspapier zu den schweizerischen Menschenrechtsdialogen. Kürzlich wurde dieses Papier auf der Informationsplattform humanrights.ch kritisch besprochen.

Letztes Jahr wurde eine komplette Neuausrichtung der schweizerischen Menschenrechtsdialoge (Instrumente der bilateralen Menschenrechtsaussenpolitik mit 20-jähriger Existenzgeschichte) angekündigt. Problematisch dabei ist, dass nicht nur der Öffentlichkeit sondern auch Entscheidungsträgern die Ausgestaltung des klassischen Menschenrechtsdialogs bis anhin unbekannt war und daher die Grundlagen fehlen, um sinnvoll über eine Neuausrichtung zu diskutieren. foraus nahm sich dieser Problematik an und lieferte mit der Studie über die Menschenrechtsdialoge nicht nur die wichtigsten Grundlagen für eine Diskussion über die Neuausrichtung, sondern gleichzeitig auch mögliche Leitplanken, welche zukünftig bei der bilateralen Menschenrechtsaussenpolitik – ob nun unter dem Begriff „Menschenrechtsdialog“ oder nicht – beachtet werden müssen. Die veröffentlichte Studie wurde von der Menschenrechts-Plattform humanrights.ch grundsätzlich kritisiert.

Ein Problem der Erwartungen

Bereits der Titel der Kritik lässt erahnen, dass mit etwas gar langen Ellen gemessen wurde. Dort ist die Rede von der „Schweizer Menschenrechtspolitik“ – ein viel weiteres Gebiet als die Menschenrechtsaussenpolitik und noch viel weiter als die Menschenrechtsdialoge, welche wiederum nur ein Instrument der schweizerischen Menschenrechtsaussenpolitik sind, respektive waren. Die Beschränkung auf dieses eine Instrument im Diskussionspapier war beabsichtigt und es wurde damit der Versuch unternommen, die Entwicklungen der letzten Jahre für die Öffentlichkeit aufzubereiten und ein paar Denkanstösse im Sinne von möglichen Leitplanken für die Neuausrichtung zu geben. Diese Zielsetzung wird auf Seite 6 klar abgesteckt: „[…]versteht sich dieses Paper als Grundlage und Denkanstoss in der Diskussion, die durch die Ankündigung einer Praxisänderung durch das EDA an Aktualität gewonnen hat.“ Wer also, wie humanrights.ch, eine „Aufklärung über die heutige Konzeption der schweizerischen Menschenrechtsaussenpolitik erwartet“, wird nicht nur „wohl enttäuscht werden“ sondern erwartet einfach mehr von einem Paper, als das Paper zu leisten beanspruchte.

Die Frage nach dem Mehrwert

Humanrights.ch konnte in seiner Kritik den Mehrwert des Diskussionspapiers lediglich in der Darstellung der Kriterien erkennen, nach denen Länder- und Themen für die Menschenrechtsdialoge ausgesucht worden sind. Diese Kriterien wurden durch das Diskussionspapier zum ersten Mal publik gemacht. Sie sind als Grundlage für eine breitere und richtungsweisende Diskussion von erheblicher Bedeutung. Weiter wurde kritisiert, die Gegenseitigkeit der Menschenrechtsdialoge sei zu wenig betont worden. Der Punkt, dass die Schweiz bisher nie öffentlich kommunizierte, an welchen Defiziten die vielen bisher geführten Dialoge krankten, wird im Papier tatsächlich nicht direkt angegangen. Hingegen fordert das Diskussionspapier mehr Transparenz in der Beurteilung der Dialoge. Transparenz bedeutet dabei nicht nur darzustellen, was die Schweiz im Dialogland bewegen konnte, sondern umgekehrt auch, was das Dialogland in der Schweiz als verbesserungswürdig erachtet und wie die Schweiz darauf reagiert.

Die Diskussion ist lanciert

Der Artikel von humanrights.ch endet mit einer suggestiven Frage: „Wenn sich der Bund zu einem Mainstreaming von Menschenrechtsfragen in allen aussenpolitischen Konsultationen bekennt, müsste sich dieses Bekenntnis nicht auch auf die Aussenwirtschaftspolitik erstrecken und müsste damit die ungelöste Kohärenzfrage nicht endlich direkt angegangen werden?“ Das ist ohne Zweifel eine grosse Herausforderung der Schweizer Aussenpolitik. Sie war aber weder Gegenstand noch Zielsetzung des Diskussionspapiers. Insofern geht auch die Hauptkritik von humanrights.ch ins Leere, die Autorenschaft hätte es mit ihren Empfehlungen verpasst etwas Substantielles zur Neuausrichtung beizutragen. Ziel war erstens eine Diskussionsbasis zu schaffen und zweitens wünschenswerte Leitplanken bei der Suche nach neuen Formen der Menschenrechtsaussenpolitik zu formulieren. Unabhängig davon wie die bilaterale Menschenrechtspolitik in Zukunft aussehen wird, müssen bei der Neuausrichtung objektive Kriterien für die Länder- und Themenwahl festgesetzt, die Transparenz gesteigert und die internationale Kooperation reanimiert werden. Wenn durch diese aufgeworfenen Forderungen die öffentliche Auseinandersetzung in Gang kommt, so ist dies nach Ansicht der Autorenschaft durchaus ein substantieller Beitrag. Was die von humanrights.ch angesprochene Kohärenzfrage angeht, so sei auf das kurz vor der Veröffentlichung stehende foraus-Diskussionspapier mit dem Arbeitstitel „Menschenrechte und die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik“ verwiesen. Die erste Zwischenetappe ist erreicht: Die Diskussion ist lanciert.

Am 25. Januar 2012 findet im Hauptgebäude der Universität Bern, Hörsaal 120, ab 18:30 Uhr eine Podium statt, wo die Möglichkeit geboten wird, diese und weitere Fragen, Streitpunkte und Anregungen rund um die Menschenrechtsdialoge mit Experten aus Verwaltung, Wissenschaft und Politik zu diskutieren.

Alexander Spring ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der Universität Bern im Bereich Völkerrecht und Menschenrechte. Er leitet die foraus-Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Politik.

Andreas Kind ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für öffentliches Recht der Universität Bern, Abteilung Staats- und Völkerrecht.

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