Die Augenbinde abnehmen: Technische Eingriffe ins natürliche System könnten den Klimawandel schlimmer machen – oder mindern!

Umwelt, Energie & Verkehr

2°C maximale Erwärmung war das Ziel. Dies scheint mit den heutigen Mitteln und der heutigen Politik nicht mehr erreichbar. Technische Eingriffe drängen sich auf. Ob diese helfen oder schaden würden? Diese Frage ist auch politisch.

 

Es ist wieder so weit: Verhandler und Umweltorganisationen aus allen Ländern strömen zusammen, um über das Klima zu verhandeln. Diesmal nach Warschau. Fast niemand erwartet wesentliche Fortschritte an einem Gipfel, der mehr den je von den industriellen Interessen des Gastgeberlandes geprägt ist. Dabei rückt das international anerkannte 2°C Ziel im Rückspiegel langsam in die Ferne, während die Weltgemeinschaft bis 2100 auf 4° bis 6°C Erwärmung zusteuert.

Zwischenzeitlich über 2 Grad zu gehen, und später zum ursprünglichen Ziel zurückkehren, könnte bald zur neuen Devise werden. Dabei wird ignoriert, was ein solches “Zurückkehren” erfordern würde: Wir müssten nicht nur keine Treibhausgase mehr emittieren, sondern mehr CO2 einfangen als emittiert wird – eine Speicherungsindustrie von der Grösse der aktuellen Weltwirtschaft wäre nötig. Die Weltgemeinschaft hat es bisher nicht geschafft, mit einfachen Emissionsreduktionen die jährliche Steigerung der Emissionen zu verlangsamen – geschweige denn weniger zu emittieren als in der Vergangenheit. Beim besten Willen: Dass in diesem Jahrhundert die Emissions-Bilanz unter Null gedrückt wird, dafür reicht mein Optimismus nicht aus.

Verzweifelte Zeiten, verzweifelte Massnahmen

Selbst wenn die maximale Erwärmung auf 2°C beschränkt wird:  Andere Ziele wie die Nahrungsmittelsicherheit würden gefährdet. Eine Neudefinition der Klimapolitik wird notwendig und dabei geht es immer mehr um Schadens-Begrenzung: Emissionsreduktionen, CO2 Abscheidung, Anpassungen, oder Entschädigungen für Schäden sind die bekannten Ansätze. Sobald die ersten Regierungen durch Klimaschäden ernsthaft in Bedrängnis kommen, könnten sich jedoch neue Ideen aufdrängen: Direkte Eingriffe ins Klimasystem könnten in der Theorie die Erwärmung kompensieren, indem sie Energie der Sonne ins All zurück reflektieren. Solche Ansätze, wurden bisher lediglich diskutiert. Sie sind unausgereift – trotzdem könnten sie aber schon bald- politisch attraktiv erscheinen.

Ob solche technische Eingriffe hilfreich oder schädlich wären, hängt von drei Faktoren ab: Der Stand des Wissens und der Technik zum Zeitpunkt der möglichen Anwendung und die bis dahin erreichten Emissionsreduktionen und Anpassungs-massnahmen und die Qualität der politischen Entscheidungsfindung. Der letzte Faktor könnte, wenn auch weniger intuitiv, massiv ins Gewicht fallen: Sollten die Eingriffe nicht kontinuierlich geführt werden, würde die gesamte aufgehaltene Erwärmung auf einen Schlag einfahren. Ein komplexes politisches System wird daher notwendig um zu verhindern, dass Staaten sich gegenseitig reinpfuschen. Um vermeidbaren Schäden zuvorzukommen, benötigt man zudem einen internationalen Austausch von Wissen und eine genaue Kontrolle der Massnahmen sowie ihrer Wirkung und deren Integrierung in die Planung von Anpassungs-Massnamen. Ohne ein koordiniertes internationales System könnte ein komplettes Klima- und Politikchaos entstehen. Weitermachen wie bisher bedeutet, dass der Tag kommen wird an dem direkt ins Klima eingegriffen wird.

Die Schweiz ist in einer glaubwürdigen Position in der Ländergruppe, welche sich die Integrität der Umwelt auf die Fahne schreibt. Das Land könnte daher eine Führungsrolle einnehmen um das Thema auf vernünftige Art und Weise in der Klimakonvention der Vereinten Nationen anzugehen: Regulierende Entscheidungen sind zu treffen bevor es zu spät ist, denn mit verbundenen Augen auf einen Abgrund zuzugehen war noch nie eine gute Option.