Hans wie Harris?

Im November blickt die Welt gespannt auf die Präsidentschaftswahlen in den USA. Als führende Wirtschafts- und Militärmacht beeinflusst ihre Aussenpolitik viele Staaten. Entsprechend stellt sich die Frage, welche Politik nach Wahlausgang zu erwarten ist. Der republikanische Senator Arthur Vandenberg, der nach dem Zweiten Weltkrieg die US-Aussenpolitik neu ausrichtete, war der Überzeugung: «Politik macht am Wasser halt.» Parteipolitische Differenzen sollten in der Aussenpolitik zurückgestellt werden. Angesichts der starken Polarisierung zwischen Trump- und Harris-Anhängern scheint ein solcher Konsens heute jedoch kaum mehr vorstellbar.

 

Grundsätzlich lässt sich die US-Aussenpolitik entlang von zwei Dimensionen charakterisieren. Die erste beschreibt, wie offen oder zurückhaltend die USA in der Welt agieren. Die zweite, ob die USA harte Realpolitik betreiben oder ob sie versuchen, Werte und Ideale in der Welt zu verbreiten. Die meisten US-Regierungen bewegten sich mit ihrer Politik zwischen den Extremen.

 

Und so dürften auch Harris und Trump in der Aussenpolitik in den grossen Linien inhaltlich weniger weit auseinander liegen, als es der mit harten Bandagen geführte Wahlkampf suggeriert. Genaueres Hinschauen offenbart, dass Demokraten und Republikaner in wichtigen Fragen grosse Gemeinsamkeiten aufweisen.

 

So sind sich beide Lager einig, dass gewisse Industrien oder Technologien so wichtig sind, dass man keine Abwanderungen zulassen sollte. Zu viele sehen sich als Verlierer der Globalisierung.  Dies hat den USA eine zunehmend protektionistische Handelspolitik und eine kostspielige Industriepolitik beschert. Die traditionell freihandelsfreundlichen Republikaner näherten sich in dieser Frage auch nach der Abwahl Trumps den skeptischeren Demokraten weiter an. Das hat auch damit zu tun, dass die USA unabhängiger von China werden wollen. Beide Seiten sehen in der Volksrepublik die grösste Gefahr für die USA: Alle nationalen Sicherheitsstrategien der Trump- und Biden-Jahre nennen China als wichtigste Priorität der amerikanischen Aussen- und Sicherheitspolitik. Daran wird sich nach den Wahlen kaum etwas ändern.

 

Damit dürfte sich die unter Obama eingeleitete Hinwendung zu Asien weiter manifestieren, mit Auswirkungen auf Europa. Im Gegensatz zum Transatlantiker Joe Biden dürften weder Trump noch Harris Europa als allzu starken Bezugspunkt sehen. Das Verhältnis dürfte viel interessengeleiteter werden, wobei die Europäer mehr für ihre Sicherheit sorgen müssen.

 

Endgültig vorbei ist die Zeit grosser militärischer Interventionen im Ausland, besonders zur “Nationenbildung”. Hier zeigt sich eine überparteiliche Kontinuität: Obama zog die US-Truppen aus dem Irak ab, und Trump leitete den sukzessiven Rückzug aus Afghanistan ein, den Biden unter chaotischen Umständen beendete.

 

Republikaner und Demokraten sind jedoch nicht in allen aussenpolitischen Fragen deckungsgleich. Wo die innenpolitischen Fronten verhärtet sind, wie in der Klimapolitik, bestehen signifikante Unterschiede. Auch innerhalb beider Parteien gibt es starke Friktionen in der aussenpolitischen Ausrichtung. So gibt es bei den Republikanern bezüglich Ukraine diametral gegensätzliche Ansichten. Die künftige US-Aussenpolitik wird folglich auch von der Besetzung bestimmter Spitzenposten abhängen.

 

Der Schweiz wird nachgesagt, besser mit republikanischen Präsidenten zurechtzukommen als mit demokratischen. Aber auch der letzten Trump-Regierung waren die hohen Schweizer Exportüberschüsse ein Dorn im Auge. Letztendlich gilt die Devise des ehemaligen Aussenministers Kissinger: «Amerika hat keine dauerhaften Freunde oder Feinde, nur Interessen.» Sowohl Trump als auch Harris verbinden damit eine stärker protektionistischere Handelspolitik. Für die Schweiz ist das keine gute Aussicht – unabhängig vom Wahlausgang.

 


 

Dieser Beitrag wurde ursprünglich in Regionalzeitungen unter CH Media publiziert.