Helvetisches Klima: zwei Schritte vorwärts, einer zurück?

Entwicklungspolitik

Von Martin Stadelmann – Letzten Monat gab sich Bundesbern klimafreundlich: der Nationalrat sprach Klimagelder für Entwicklungsländer und der Ständerat beschloss ein ambitioniertes CO2-Reduktionsziel. Die Kernkraft-Krise in Japan gefährdet nun aber das Klimapaket, mit dem sich die Schweiz hätte international profilieren können.

Den ersten Schritt machte der Nationalrat: er sprach 130 Millionen für den Klimaschutz in Entwicklungsländern. Damit ersparte er dem Bundesrat die Peinlichkeit, als einziges Industrieland ohne Beitrag an Kopenhagen dazustehen. Gleichzeitig offenbarte das Parlament, dass es nicht zwischen Klimaschutz und Entwicklung unterscheiden kann. Ein Besuch der foraus-Podiumsdiskussion vom 21. Februar hätte vielen NationalrätInnen gut getan.

An diesem Podium erklärte Diskussionsleiterin Katja Michaelowa (Professorin für Entwicklungspolitik, Uni Zürich) den Unterschied zwischen Entwicklung als lokal-regionales Ziel und Klimaschutz als globales Gut. Die Podiumsteilnehmer Bastien Girod (Nationalrat Grüne) und Peter Niggli (Alliance Sud) forderten denn auch, dass die Klima-Gelder nicht der Entwicklungshilfe angerechnet werden sollen. Ausserdem seien die 130 Millionen zu gering, andere europäische Nationen wären weit stärker engagiert. Dominique Reber (Economiesuisse) stimmte den Klimageldern grundsätzlich zu, warnte aber vor der steigenden Abgabenlast. Durch die kurzfristige Absage von Nationalrat Mörgeli kam die (klimaskeptische) Haltung der SVP nicht zur Sprache.

Ständerat mit griffigen Massnahmen

Der zweite, noch wichtigere Schritt in der helvetischen Klimapolitik folgte dann im März: der Ständerat beschloss, bis 2020 die CO2-Emissionen im Inland um 20% zu senken. Anders als der inkonsistente Nationalrat (ambitioniertes Ziel, aber lasche Massnahmen) entschied der Ständerat auch griffige Massnahmen: eine Lenkungsabgabe auf Treibstoffe, eine gesteigerte Neuwageneffizienz (130gCO2/km) sowie zusätzliche Fördermittel für energieeffiziente Gebäude. Die Vorlage geht nun ins Differenzbereinigungsverfahren, das ambitionierte Ziel ist aber gesetzt: Neben dem -20%-Ziel im Inland kann der Bundesrat “im Einklang mit internationalen Vereinbarungen” diese Reduktion bis auf 40% erhöhen, und die Mehrheit der zusätzlichen Massnahmen dann im Ausland durchführen.

Damit bleibt das kostengünstige Potential in Entwicklungsländern nicht aussen vor und die Schweizer Delegation bringt zwei Trumpfkarten an den internationalen Verhandlungstisch: Die Schweiz kann nicht nur eine Verdoppelung der Reduktionen anbieten, sondern auch den Kauf von CO2-Zertifikaten. Dies ist ein doppelt interessantes Angebot für Schwellenländer, die ihrerseits zu Reduktionsmassnahmen verpflichtet werden müssen.

Fukushima als Rückschlag für die Klimapolitik

Die klimapolitische Aufbruchstimmung könnte nun jedoch durch ein Ereignis in Fernost gebremst werden: Nach der Katastrophe im Atomkraftwerk Fukushima sind selbst einstige Atombefürworter im Parlament skeptisch gegenüber dieser Technologie geworden. Die meist genannte Alternative zu AKWs ist der Bau von Gaskraftwerken. Dies hiesse aber massive CO2-Emissionen: bis zu 8% mehr Treibhausgasemissionen bei Stillegung von Beznau und Mühleberg. Können wir also das gerade beschlossene -20%-CO2-Ziel wieder begraben?

Noch nicht, denn es bleibt eine klimafreundliche Alternative: erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Dieser Weg ist machbar, wie das Bundesamt für Energie aufgezeigt hat. Weshalb wird er kaum erwähnt? Der Grund liegt darin, dass öffentliche Diskussionen nur über erneuerbare Energien und deren beschränktes Potenzial geführt werden. Die Energieeffizienz dagegen bleibt oft unerwähnt, obwohl sie das grösste Potenzial hat, Atomstrom zu ersetzen. Der Weg “Erneuerbar & Effizienz” ist also gangbar: er verlangt nur kluge politische Massnahmen und keine überhastete Stillegung von Atomkraftwerken.

Die zwei Schritte vorwärts in der Schweizer Klimapolitik (CO2-Ziel mit Massnahmen und Finanzmittel für Entwicklungsländer) werden durch die Kernkraftkrise also nicht zwangsläufig obsolet. Was es nun braucht, ist eine breite Diskussion zu den Optionen. Die Schweiz wäre schlecht beraten, AKWs nun überstürzt durch Gaskraftwerke zu ersetzen. Mit den Erneuerbaren und der Energieeffizienz stehen zwei wichtige Alternativen am Horizont.

Martin Stadelmann, Geograph, war mehrere Jahre Projektleiter im CO2-Markt. Zurzeit schreibt er seine Dissertation zur Effektivität von Klimaschutzinvestitionen in Entwicklungsländern. Er ist Mitverfasser des foraus-Diskussionspapiers zur Schweizer Klimapolitik nach Kopenhagen.

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