Maximilian Stern – Eine Mehrheit der Schweizer ist derzeit gegen die Volkswahl des Bundesrates. Doch aussenpolitisch hätte die SVP-Initiative positive Effekte: eine höhere Legitimität des Aussenministers und eine klares politisches Programm. Es gilt zu erkennen, dass ein Wahlkampf nicht unbedingt ein Störfaktor sein muss.
Die Meinungsbarometer sprechen eine eindeutige Sprache: Die Volksinitiative „Volkswahl des Bundesrates“ hätte zurzeit keine Chance. Ebenso klar sind die politischen Lager in ihren Haltungen. Ausser der SVP spricht sich keine Partei für eine Volkswahl der Magistraten aus, obwohl sich einzelne Exponenten der Linken wie Micheline Calmy-Rey oder Cédric Wermut gegenteilig äussern.
Aus aussenpolitischer Sicht lohnt sich eine Prüfung des Vorhabens, denn sie bietet überraschende Einsichten. So würde eine Volkswahl des BR diesen nicht zu einer zögerlichen, übervorsichtigen Handlungsweise bewegen, wie das die Gegnerschaft argumentiert. Im Gegenteil: Der Bundesrat wüsste, dass seine Handlungen neu im Blickfeld der Öffentlichkeit stünden, statt nur unter Aufsicht der parlamentarischen Kommissionen. Er kann und muss also Risiken eingehen, auch schwierige Entscheide treffen und diese resolut vertreten. In der Gunst der Öffentlichkeit standen selten die blassen Bundesräte. E ist beispielsweise an Doris Leuthard zu denken, die mit dem Atomausstieg einen durchaus wagemutigen Schritt zu verantworten hat, den die Stimmbevölkerung mit höheren Energiepreisen zu berappen haben.
Keine Populismusgefahr
Aber auch das Gegenteil eines ängstlichen Bundesrates wird kaum eintreffen. Die vielbeschworene Gefahr populistischer Entscheidungen stellt sich im aussenpolitischen Bereich kaum. Einen Aussenminister, der aus lauter Angst vor dem Unwillen des Volkes die Personenfreizügigkeit künden würde, ist nicht zu befürchten.
Denn damit würde er sich jeden weiteren aussenpolitischen Erfolg – neue Verhandlungen, Abkommen und Verträge – verunmöglichen. Die Konsequenzen für seine nächste Wahl wären verheerend. Ausserdem kann davon ausgegangen werden, dass das Kollegialitätsprinzip weiterhin Geltung hätte. Oder dass es zumindest nicht mehr strapaziert würde, als es ohnehin schon wird. Die Verletzungen dieses Prinzips wurden seit jeher von den Medien geflissentlich aufgegriffen und haben dem Betroffenen meist mehr geschadet als genützt.
Auch der Vorwurf des permanenten Wahlkampfes ist falsch. Warum dieser Wahlkampf ausgerechnet hierzulande eine derart penetrante Permanenz entwickeln sollte, ist mit Blick auf unsere Nachbarländer nicht nachvollziehbar. Vor allem gäbe es überhaupt zum ersten Mal einen Wahlkampf um das Regierungsamt! Gerade in der Aussenpolitik braucht der Bundesrat ein weitgehendes Machtmonopol, um in Verhandlungen glaubwürdig agieren zu können. Und in der Schweiz hat die Regierung zusammen mit der Verwaltung nun einmal einen Machtüberhang gegenüber dem Parlament (und den Kantonen). Und gerade eine solch ausgeprägte Machstellung bedarf ausgeprägter Legitimation.
Einen teuren Wahlkampf ist ebenso wenig zu fürchten. Bundesräte, und insbesondere der Aussenminister, haben in der Regel genügend Gelegenheiten, sich zu profilieren und ihre Namen schweizweit bekannt zu machen. Sie sind zudem jetzt schon permanent unterwegs auf Eröffnungen von Mehrzweckhallen und Strassentunnels.
Bei Neuwahlen stellt sich die Problematik anders, und die Frage nach ausreichender Qualifikation für ein wichtiges Amt wie dasjenige des Aussenministers wird aufgeworfen. Aber es muss den politischen Parteien des Landes zugetraut werden, diese Aufgabe mindestens in gleichem Masse erfüllen zu können, wie es heute die verschiedenen Fraktionen im Parlament tun.
Wahlkampf als zentrales Element der Demokratie
Der Wahlkampf hat zudem den Vorteil, dass er von den Kandidaten ein klares aussenpolitisches Programm und ein scharfes Profil verlangen würde – und zwar gegenüber der Stimmbevölkerung und nicht gegenüber den parlamentarischen Kollegen oder gar den Lobbyisten im Bundeshaus (unabhängig davon ob die aus der Wirtschafts- oder Verbandsecke kommen). Neue Bundesräte waren in dieser Hinsicht für die Öffentlichkeit immer eine Blackbox. Doch weil jeder Kandidat ein aussenpolitisches Programm vorlegen müsste, würde dies eine Diskussion über die aussenpolitische Ausrichtung der Schweiz ermöglichen. Ein eindeutiger Gewinn!
Der Wahlkampf hat im demokratischen System seine Rechtfertigung als zentrales Element – er ist nicht nur ein mühsamer Störfaktor.
Aus aussenpolitischer Sicht kann daher durchaus eine Volkswahl des Bundesrates befürwortet werden. Eine andere Frage ist, ob das von der SVP vorgeschlagene Wahlmodell das bestmögliche ist. Wenn die Initiative nun abgelehnt werden sollte, wäre diese Ablehnung sinnvollerweise weniger als prinzipielles Nein zu verstehen, sondern als Anlass, sich vertieft mit der Frage nach einer Regierungsreform auseinanderzusetzen. Viele Optionen – von einer grösseren Anzahl Bundesräte über mehr Staatssekretäre bis zu einer Stärkung des Präsidiums – wurde viel diskutiert. Bis heute fehlt es an Mut, hier klare Schritte zu unternehmen.
Maximilian Stern, ist ehemaliger Geschäftsführer von foraus – Forum Aussenpolitik und lebt in Zürich. Er hat an den Universitäten Zürich und München Politikwissenschaft, Volkswirtschaft und Europarecht studiert.
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